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locus necessitatis

Es ist schon erstaunlich, was man so alles feiern kann. In diesen Tagen, genauer gesagt am 16. November, hatten wir schon den Vorlesetag (siehe unten), am 21. Juni den Tag des Schlafes, am 6. März den Anti-Diät-Tag, und heute feiern wir hochoffiziell den Welttoilettentag! Man kann es kaum glauben!
Tatsächlich steckt hinter diesem Welttoilettentag eine ernst zu nehmende Geschichte, denn immer noch leiden rund 40 Prozent der Weltbevölkerung unter dem Fehlen selbst der einfachsten hygienischen Einrichtungen. Wenn unsereins mal nach einer Kneip(p)en-Tour kein Klo findet und stattdessen eine Eiche, einen Hollunderbusch oder eine Hauswand zweckentfremdet, so stinkt das zwar zum Himmel, ist aber sonst kein großes gesellschaftliches Problem. (Es sei denn, wir sind von altem Adel und lassen unsere Stange Wasser am Pavillon einer großen Nation stehen...) Wo es aber keine entsprechenden hygienischen Einrichtungen weit und breit gibt, wächst nicht nur die Gefahr des Erstinkens, sondern auch ganz real die Gefahr von Infektionen bösester Art.

Wenn man mal über oben geschriebenes nachdenkt, bekommt das eigene Porzellansitzmöbel im Kachelraum doch eine ganz besondere Bedeutung. Erst recht, wenn man bedenkt, wieviel Zeit man dort eigentlich verbringt. Vielfach ist die Schüssel nebst zugehörigen Räumlichkeiten ja der einzige Ort, an dem man mal für eine kleine Weile ungestört sein kann. Falls nicht die gesamte Familie in willkürlichen Abständen immer wieder an der glücklicherweise verriegelten und verrammelten Tür ausrastet, weil sie eben auch mal müssen. Wohl dem, der zwei Abtritte im Haus hat! Dann kann man es sich mal so richtig gemütlich machen, bei der Verrichtung der täglichen Notdurft. Es gibt da zum Beispiel ein japanisches Modell, bei dem man wenig mehr machen muss, als sich seiner Hosen zu entledigen und eine bequeme Sitzhaltung auf der Keramik zu finden. Sämtliche Tätigkeiten, die mit der Verklappung menschlicher Verdauungsreste einhergehen, werden von der Toilettenanlage vollautomatisch erledigt. Das fängt bei der musikalischen Übertönung der gemeinhin bei derlei Aktionen enstehenden und meist als peinlich empfundenen Geräsuchkulisse an und hört bei der automatischen, sanften, aber zuverlässigen Reinigung und Trocknung (!) der unteren Körperregionen noch lange nicht auf. Ein Traum! Leider auch ein sehr teurer, weshalb sich in unserem hauseigenen Herzchenhäuschen nur ein Normalklo befindet, bei dem alles noch von Hand erledigt werden muss. Aber man kann sich diesen Ort des persönlichen Rückzuges ja auch ohne High-Tech Shinto-Klo-Tempel aus Nippon gemütlich einrichten. Bei uns zum Beispiel gibt es zahlreiche Ablagemöglichkeiten, die an und für sich zur Lagerung meiner Toilettenlektüre gedacht waren. Tatsächlich stapeln sich dort nun zahlreiche verschiedene Cremes und Öle für meine Frau und die Kinder, während meine Bücher auf dem Fensterbrett Platz nehmen müssen. Wie dem auch sei...
Die eigentlich doch eher langweilige Tätigkeit des Entleerens sämtlicher gastroenterologischer Körperbehältnisse erfährt durch die Lektüre dem Anlass entsprechender Literatur eine ungemeine Aufwertung. Die Ungestörtheit des Stillen Örtchens lädt geradezu dazu ein, sich in ein gutes Buch zu vertiefen, während draußen vor der Tür die Hektik des alltäglichen Wahnsinns tobt. Um den Lese- und Abführgenuß noch zu erhöhen, befindet sich auch ein Musikgerät in den Heiligen Hallen, dessen primäre Aufgabe es ist, dem wertvollen Moment des Insichgehens, des sich Ausdrückens und der literarischen Bildung eine passende Hintergrundbeschallung zu schenken, und das in zweiter Linie in der Lage ist, die bei dieser zutiefst menschlichen Tätigkeit entweichenden Misstöne nicht an zufällig in der Nähe befindliche Ohren gelangen zu lassen. Ein Ort des Friedens...
Kein Frieden währt ewig, so lehrt es uns die Weltgeschichte, und irgendwann ist die Zeit gekommen, da man den selbstgewählten Lesesaal wieder verlassen muss. Lesezeichen nicht vergessen, damit wir bei der nächsten Sitzung weiterlesen können, wie sich die Geschichte zwischen Fürst Andrej und Natascha Rostowa weiterentwickelt, dann Fenster öffnen, damit der Mief aus Stickstoff, Wasserstoff, Methan, Kohlenstoffdioxid sowie insbesondere die für den infernalischen Geruch verantwortlichen Schwefelverbindungen ihren Weg in die Weite Welt finden, und, last but not least, Hände waschen nicht vergessen! Die sind doch voller Druckerschwärze....

Erfrischt, erholt und einige Kilo leichter können wir uns nun mit neuem Elan dem weiteren Tag widmen und insbesondere den heutigen Tag zelebrieren: Den Welttoilettentag!

Wer mehr über den Welttoilettentag erfahren möchte, der schaue sich hier um: Welttoilettentag - Achtung! Ist in Englisch!

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