Gestern war ja Welttag des Vorlesens. Man sollte ja meinen, das Vorlesen braucht keinen Aktionstag, aber dem ist wohl doch nichts so.
Tatsache ist jedenfalls, dass mein Frauchen und ich als ausgesprochene Liebhaber des geschriebenen Wortes durchaus häufiger beim Vorlesen erwischt werden. Und bei den Dingen, die wir da vorlesen, handelt es sich nicht immer um Bedienungsanleitungen, die einer rezitiert, während der andere versucht, den gehörten Worten Sinn zu verleihen und dem Gerät, um das es sich in der Anleitung dreht, seinen Willen aufzuzwingen.
Beinahe regelmäßig machen wir das, was man gemeinhin tatsächlich unter dem Begriff "Vorlesen" versteht. Wir setzen uns hin, versammeln die Schar zweier Kinder um uns und lesen ihnen eine Geschichte vor. Das ist nicht immer so einfach, wie es klingt. Es fängt schon mal mit der Auswahl der Lektüre an. Als mein Sohn nur wenige Wochen alt war, konnte ich ihm noch alles vorlesen, was ich mir wünschte. So bekam er schon in diesem sehr jungen Alter die komplette Nibelungen-Sage quasi als Hörbuch auf die Ohren gedrückt, nur weil ich Lust dazu hatte und die Nibelungen selbst noch nicht kannte. Bleibende Schäden haben wir bisher bei ihm nicht feststellen können.
Bei seiner Schwester indes haben wir auf derlei Experimente verzichtet, einerseits, weil wir bis dahin altersgerechte Belletristik erwerben konnten, andererseits, weil sich Töchterchen beim Zuhören völlig anders verhielt als Sohnemann. Während er an meinen Lippen hing und mit gespitzten Ohren Siegfrieds Abenteuern lauschte, schlief Madame innerhalb von Sekundenbruchteilen ein, sobald die zarte Stimme des Vaters oder der Singsang ihrer Mutter lesenderweis an ihre Ohren krabbelten.
Heutzutage, da die Kinder an Jahren zugelegt haben, ist es ungleich schwieriger, passende Lektüre für den Vorlesegenuß zu finden. Unerklärlicherweise reagieren beide Kinder geradezu unwirsch, wenn ich nach den Klassikern der Belletristik greife. Weder "Die Blechtrommel", noch "Der alte Mann und das Meer" vermögen es, das literarische Interesse unserer Kinder zu erreichen. Auch ein Meilenstein der Dichtkunst wie das zugegebenermaßen eingedeutschte Gesamtwerk Shakespeares oder auch Goethes "Faust" gehen spurlos an den kindlichen Ohren vorbei. Zuweilen reagieren beide Kinder etwas ungeduldig, wenn ich versuche, ihnen ein bis zwei Kapitelchen "Schuld und Sühne" zukommen zu lassen. Es ist beinahe schon enttäuschend.
Statt dieser Perlen der Literatur finden sich meine geliebte Ehefrau und ich uns immer öfter mit Büchern in der Hand wieder, deren Titel zum Beispiel "Hase Hoppel findet eine Nuss" lauten, oder "Die sieben Lieben gehen an den Strand" oder "Abenteuer im Zwergenwald".
Alle diese Geschichten enden schon nach wenigen Seiten, wenn das Kaninchen seine Nuss gefunden hat, die sieben Lieben faul am Strand liegen oder die Zwerge das frischgeborene Kitz von "Frau Reh" gefunden haben! Wo bleibt die Entwicklung der Hauptfiguren? Was ist mit dem Spannungsbogen? Wo bleiben die vielschichtigen Strukturen eines literarischen Abrisses des modernen Zeitgeistes?
Nun gut, finden wir uns damit ab, dass unsere Kinder ihre Geschichten gerne etwas simpler haben wollen. Wenn es denn sein muss... Aber dann wäre es ja nett, wenn sie wenigstens zuhören würden! Aber kaum hat man die ersten drei Sätze stotternd hinter sich gebracht, finden die beiden die Bilder in den Büchern wesentlich interssanter als die Geschichte. Dann unterbrechen sie den hart arbeitenden Vorleser: "Pappa, ein Hase! Da ist ein Hase!" "Ja, mein Schatz, das ist der Protagonist der Geschichte, wenn auch ein wenig oberfl..." "Guck ma hier, Pappa! Der Baum ist kaputt!" "Nein, das ist ein Höhle in dem Ba..." "Pappa! Der Zwerg macht aber Pippi!" "Was? Wo siehst du das denn?"
Und in diesem Stil kriecht man durch eine kleine Geschichte, die im Büchlein kaum fünf Seiten haben mag, aber in der Fantasie der Kinder ganze Regalwände füllt.
Das ist dann der Punkt, an dem das Vorlesen so richtig Spaß macht! Wenn wir das Gefängnis der geschriebenen Worte verlassen und sie als Vehikel für unsere eigene Fantasie nehmen und die anderen Geschichten erzählen, die zwischen den Zeilen stehen, die im Buch gezeichnet oder gemalt stehen. Was braucht es da Goethe, Grass oder Shakespeare? Hier vor uns auf dem Teppichboden sitzen die Autoren, die Geschichtenerzähler und die Fantasten. Hören wir ihnen zu! Wer weiß, was wir Alten noch alles lernen können...
Tatsache ist jedenfalls, dass mein Frauchen und ich als ausgesprochene Liebhaber des geschriebenen Wortes durchaus häufiger beim Vorlesen erwischt werden. Und bei den Dingen, die wir da vorlesen, handelt es sich nicht immer um Bedienungsanleitungen, die einer rezitiert, während der andere versucht, den gehörten Worten Sinn zu verleihen und dem Gerät, um das es sich in der Anleitung dreht, seinen Willen aufzuzwingen.
Beinahe regelmäßig machen wir das, was man gemeinhin tatsächlich unter dem Begriff "Vorlesen" versteht. Wir setzen uns hin, versammeln die Schar zweier Kinder um uns und lesen ihnen eine Geschichte vor. Das ist nicht immer so einfach, wie es klingt. Es fängt schon mal mit der Auswahl der Lektüre an. Als mein Sohn nur wenige Wochen alt war, konnte ich ihm noch alles vorlesen, was ich mir wünschte. So bekam er schon in diesem sehr jungen Alter die komplette Nibelungen-Sage quasi als Hörbuch auf die Ohren gedrückt, nur weil ich Lust dazu hatte und die Nibelungen selbst noch nicht kannte. Bleibende Schäden haben wir bisher bei ihm nicht feststellen können.
Bei seiner Schwester indes haben wir auf derlei Experimente verzichtet, einerseits, weil wir bis dahin altersgerechte Belletristik erwerben konnten, andererseits, weil sich Töchterchen beim Zuhören völlig anders verhielt als Sohnemann. Während er an meinen Lippen hing und mit gespitzten Ohren Siegfrieds Abenteuern lauschte, schlief Madame innerhalb von Sekundenbruchteilen ein, sobald die zarte Stimme des Vaters oder der Singsang ihrer Mutter lesenderweis an ihre Ohren krabbelten.
Heutzutage, da die Kinder an Jahren zugelegt haben, ist es ungleich schwieriger, passende Lektüre für den Vorlesegenuß zu finden. Unerklärlicherweise reagieren beide Kinder geradezu unwirsch, wenn ich nach den Klassikern der Belletristik greife. Weder "Die Blechtrommel", noch "Der alte Mann und das Meer" vermögen es, das literarische Interesse unserer Kinder zu erreichen. Auch ein Meilenstein der Dichtkunst wie das zugegebenermaßen eingedeutschte Gesamtwerk Shakespeares oder auch Goethes "Faust" gehen spurlos an den kindlichen Ohren vorbei. Zuweilen reagieren beide Kinder etwas ungeduldig, wenn ich versuche, ihnen ein bis zwei Kapitelchen "Schuld und Sühne" zukommen zu lassen. Es ist beinahe schon enttäuschend.
Statt dieser Perlen der Literatur finden sich meine geliebte Ehefrau und ich uns immer öfter mit Büchern in der Hand wieder, deren Titel zum Beispiel "Hase Hoppel findet eine Nuss" lauten, oder "Die sieben Lieben gehen an den Strand" oder "Abenteuer im Zwergenwald".
Alle diese Geschichten enden schon nach wenigen Seiten, wenn das Kaninchen seine Nuss gefunden hat, die sieben Lieben faul am Strand liegen oder die Zwerge das frischgeborene Kitz von "Frau Reh" gefunden haben! Wo bleibt die Entwicklung der Hauptfiguren? Was ist mit dem Spannungsbogen? Wo bleiben die vielschichtigen Strukturen eines literarischen Abrisses des modernen Zeitgeistes?
Nun gut, finden wir uns damit ab, dass unsere Kinder ihre Geschichten gerne etwas simpler haben wollen. Wenn es denn sein muss... Aber dann wäre es ja nett, wenn sie wenigstens zuhören würden! Aber kaum hat man die ersten drei Sätze stotternd hinter sich gebracht, finden die beiden die Bilder in den Büchern wesentlich interssanter als die Geschichte. Dann unterbrechen sie den hart arbeitenden Vorleser: "Pappa, ein Hase! Da ist ein Hase!" "Ja, mein Schatz, das ist der Protagonist der Geschichte, wenn auch ein wenig oberfl..." "Guck ma hier, Pappa! Der Baum ist kaputt!" "Nein, das ist ein Höhle in dem Ba..." "Pappa! Der Zwerg macht aber Pippi!" "Was? Wo siehst du das denn?"
Und in diesem Stil kriecht man durch eine kleine Geschichte, die im Büchlein kaum fünf Seiten haben mag, aber in der Fantasie der Kinder ganze Regalwände füllt.
Das ist dann der Punkt, an dem das Vorlesen so richtig Spaß macht! Wenn wir das Gefängnis der geschriebenen Worte verlassen und sie als Vehikel für unsere eigene Fantasie nehmen und die anderen Geschichten erzählen, die zwischen den Zeilen stehen, die im Buch gezeichnet oder gemalt stehen. Was braucht es da Goethe, Grass oder Shakespeare? Hier vor uns auf dem Teppichboden sitzen die Autoren, die Geschichtenerzähler und die Fantasten. Hören wir ihnen zu! Wer weiß, was wir Alten noch alles lernen können...
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