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Der freie Wille

Seine Kinder satt zu bekommen, sollte eigentlich keine Schwierigkeit sein. Immerhin ist das Essen ein Grundbedürfnis, das gestillt werden will.
Solange das Kind noch nicht allzu lange auf diesem Erdenrund weilt, ist die Fütterung des Raubtieres auch denkbar einfach: Anlegen an Mamas reichlich gefüllte Milchbar, und schon wird mit seligem Blick genuckelt. Alles sehr einfach, vielleicht auch, weil die Speisekarte eine ausgesprochen spartanische Auswahl von Menüs aus garantiert biologischem Anbau bietet.
Trotz der sehr eingeschränkten Menüauswahl neigen Männer, die der Speisung mehr oder weniger zufällig beiwohnen, dazu, die glücklichen Babies hingebungsvoll zu beneiden.

Spätestens jedoch, wenn die mütterliche Menütafel geschlossen wird und man die Speisekarte um Breichen verschiedenster Konsistenz und Zusammenstellung erweitert, beginnt das Drama.
Denn nun entwickelt das Kind auch noch ganz allmählich seinen eigenen, freien Willen. Wenn der dritte Löffel schwungvoll auf dem Latz gelandet ist, statt den Weg in die infantile Mundhöhle zu finden, wenn Sohnemann  im letzten Augenblick angewidert den Kopf wegdreht, sodass der Spinatbrei in den Haaren landet, wenn Töchterchen den Karottenbrei großzügig auf Strampler, Sitzhilfe und Fußboden verteilt hat, ist man bereit, dem Erfinder des freien Willens gerne mal ein paar Takte zu seiner hervorragenden Idee zu erzählen.
Aber glücklicherweise garantieren elterliche Geduld, zahlreiche Überlistungsstrategien und ein gehöriges Maß Sturheit seitens des Löffelhalters die ausreichende Ernährung der Kinder trotz aller Ausweichbewegungen...
Je älter nun die Kinder werden, desto mehr entwickeln sie Vorlieben und Abneigungen, was für sich genommen eine durchaus faszinierende Entwicklung ist. Man ist ja schon ein wenig stolz, wenn man sieht, wie die Kinder ihre ersten eigenen Entscheidungen treffen.
Ab und an wird diese Entwicklung allerdings auch recht frustrierend...
Letzte Woche, zum Beispiel, gab es regelmäßig Abendessen. Na ja, das gibt es ja nun jeden Abend, aber in dieser letzten Woche zeigten uns unsere beiden Augäpelchen, wie weit ihr eigener freier Wille und ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen schon gediehen sind.

Montag - "Abendbrot, da isst man Brot!", sagt Söhnchen. Kein Problem, es wird gefuttert, bis sich     der Bauch kugelt.

Dienstag - Es gibt Nudeln. Originalzitat Sohnemann: "Ich will Reis!"

Mittwoch - Weil wir unseren Kindern Gutes tun wollen, gibt es Reis. Zitat Filius: "Ich will Nudeln!"

Donnerstag - Wenn Nudeln und Reis nicht gewünscht sind, gibt es Kartoffeln. Zitat Junior (m): "Ich will aber Brot!"

Freitag - Abendbrot, da isst man Brot... Aber Sohn will nur Gurken. Haben wir aber nicht.

Samstag - Gurken gekauft: "Ich mag aber keine Gurken!"

Sonntag - "Heute essen wir aber kein Abendbrot!" Söhnchen vielleicht nicht, aber der Rest der Familie isst ganz sicher! 


Die gleiche Woche sah bei Töchterchen ungefähr so aus:

Montag - "Ich möchte nicht essen!" Ein kleines Brot mit einer armseligen Wurstscheibe wird unter übermenschlichen Anstrengungen unserer kleinen Dame in den Bauch gezwungen. 

Dienstag - Keine Meinungsäußerungen, da Mund permanent voll. 

Mittwoch - Halbe Portion im Bauch, die andere Hälfte auf dem Fußboden verteilt. Tochter pappsatt. 

Donnerstag - "Ich möchte nicht essen." Tut es dann aber doch ein wenig  und verteilt den überwiegenden Rest auf den Fliesen. 

Freitag - Gurken, Käse, Wurst, Eier, alles mit den Händen und am liebsten gleichzeitig. Aber um Himmels Willen kein Brot! 

Samstag - "Ich mächte nicht essen!" Das Brot bleibt angeknabbert und traurig auf dem Teller liegen. 

Sonntag - Der Brotkorb ist leer, die Wurstplatte ebenso, Käse gibt es nicht mehr, und wir müssen neue Gurken kaufen: "Ich hab aber noch Hunger!"

Essen ist ein Grundbedürfnis, das gestillt werden will. Nur über das Wann und Was sind wir uns noch nicht einig. Aber spätestens, wenn die Kinder über die Arbeitsplatte schauen und den Kühlschrank allein ausräumen können, machen sie sich selbst ihr Essen!



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