Direkt zum Hauptbereich

Handwerk hat goldenen Boden?

Eines Morgens, es war noch gar nicht so lange her, stürmte mein Eheweib mit wehenden Fahnen, hoch über den Kopf erhobenen Händen und ebenso erhobener Stimme auf mich zu: „Wir brauchen unbedingt einen neuen Spülkasten!“ Nun ja, ich konnte sie verstehen.
Der bisherige Spülkasten tat seine Arbeit ein bisschen zu enthusiastisch, denn das Wasser lief beinahe kontinuierlich durch, wenn man ihm nicht ab und an (eigentlich immer) einen kräftigen Schlag auf den Deckel gab. In der Nacht ärgerte uns der Spülkasten, indem er nur ein kleines, kaum wahrnehmbares Bächlein durch die Toilette schickte, bis nachts um halb drei der Wasserkasten nachbefüllt wurde, komplett mit zischendem Wasserlauf und einem eigentümlichen (und vor allem lauten!) Quietschen am Ende des Befüllvorganges. So war es mir eigentlich sehr recht, endlich einen neuen Spülkasten an der Toilette vorzufinden, vorzugsweise ohne viel Arbeit.
Ich beorderte also telefonisch einen Klempner herbei. Das heißt, ich versuchte es.
„Hören Sie? Ich habe einen Notfall! Meine Toilettenspülung läuft durch! Kommen Sie! Retten Sie!“
„In sieben Tagen hätte ich einen Termin frei, dann könnte ich kommen...“
„Was? Aber Ihre Werbung sagt doch was von 24/7-Notdienst!“
„Ja, es dauert sieben Tage, bis sie einen Termin bekommen können, aber dann brauche ich 24 Stunden, um den Schaden zu beheben.“

Dann mach ich das eben selber. Kann ja kein Hexenwerk sein!
Einer der Vorteile der Konsumgesellschaft ist es, dass Spülkästen in allerlei Größen, Formen und Farben beim Baustoffhandel meines Vertrauens permanent am Lager sind. Glücklicherweise behelligte mich keiner der Angestellten mit irgendwelchen Beratungsgesprächen, sodass ich nach kaum einem halben Tag Entscheidungsfindung vor dem haushohen Regal mit Spülkästen mit etlichen Euros weniger in der Tasche, dafür aber einem ansehnlichen Spülkasten unter dem Arm meiner heimatlichen Scholle entgegenstrebte.
Zuhause besorgte ich mir dann auch gleich die paar Werkzeuge, die ich für die nun folgende Operation brauchen würde. Neben Schutzbrille, Arbeitshandschuhen und Sicherheitsstiefeln, kamen noch Knieschoner, Bohrmaschine, eine Auswahl von Bohraufsätzen für Holz-, Stein- und Metallbohrarbeiten in fünfzehn verschiedenen Stärken, ein Akkuschrauber, das 50-teilige Bit-Sortiment für den Akkuschrauber, ein Zollstock, ein elektronisches Metermaß, eine Wasserwaage, ein Auswahl verschiedener Zangen, Schraubenzieher in verschiedener Größe und Ausführung, eine elektrische Stichsäge mit fünfzehn verschiedenen Sägeblättern, eine Handsäge für Metallsägearbeiten, eine Trittleiter, ein Satz Dichtungen in verschiedenen Durchmessern und Stärken und ein Handtuch dazu. Solchermaßen ausgerüstet sollte es mir möglich sein, die Aufgabe in nur wenigen Stunden zu meistern.

(c) Andreas Gütter, 2012


Das Abbauen des alten Spülkastens war keine Schwierigkeit, nachdem ich den Wassereinlauf abgeschraubt und die folgende Überschwemmung mit einigen Quadratmetern Feudel wieder halbwegs trockengelegt hatte. Immerhin weiß ich jetzt, wofür die kleine Schraube am Wassereinlauf war. Und beim nächsten Mal denke ich sicher auch daran, vorher den Kasten zu entleeren.
Das Auspacken des neuen Spülkastens war dank meiner werkstättischen Grundausstattung eine Kleinigkeit, das Lesen der Einbauanleitung erinnerte mich hingegen an das Bücherregal „Billy“ eines namhaften schwedischen IKEA-Hauses. Trotzdem gelang es mir, den Piktogrammen einen einigermaßen stimmigen Sinn zu entlocken. Nachdem ich das Wasserrohr solange eingekürzt hatte, dass es gepasst hätte, wenn die Toilette näher am Spülkasten gestanden hätte, gelang es mir, den Kasten mit zwei der vier vorgesehenen Schrauben an der Wand zu befestigen. Der Einsatz der Bohrmaschine konnte zu meiner großen Überraschung entfallen, da der neue Spülkasten mit nur wenigen Hammerschlägen beinahe wie von selbst an die alten Befestigungspunkte gezwungen werden konnte.
Der reichliche Einsatz von Bauschaum gewährleistete trotz der rätselhafterweise aufgetretenen Lücke den tropffreien Transport des Spülwassers in die Toilettenschüssel. Ebenso tropffrei konnte der Spülkasten befüllt werden, nachdem ich achtzig Zentimeter Zuleitung (gerade, verzinkt) mit Hammer und Zange in die zwanzig Zentimeter zwischen Ventil und Spülkasten verbaut hatte. Die Schrauben hielten daraufhin leider nicht mehr richtig dicht, aber auch hier vertraute ich auf die dichtende und haltende Wirkung des Bauschaumes.
Nach gerade mal vier Stunden harten Handwerkertums und zwei Stunden konzentrierter Reinigungsarbeit im Bad konnte ich meiner Frau und meinen begeisterten Kindern eine funktionierende Toilettenspülung präsentieren! Und dieser Typ vom Installateur-Dienst hätte da einen ganzen Tag für gebraucht...
Seltsamerweise besteht meine Frau seit neuestem darauf, dass das gesamte Bad renoviert werden soll. Und ich soll dafür einen Fachmann engagieren! Das verstehe, wer will...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilig Abend

Dunkel ist die Nacht,  fast kein Auge wacht. Nur die Hirten auf der Erden  lagern wachend bei den Herden, reden von dem Herrn,  ob er wohl noch fern.  Und ihr Auge weint.  Siehe, da erscheint in den Höhen Licht und Leben. Siehe, tausend Engel schweben von den lichten Höh'n, herrlich anzuseh'n! Und ein Engel spricht: "Fürchtet Euch nur nicht! Siehe, ich verkünd'ge heute allen  Menschen große Freude,  deren werden soll alle Welt noch voll.  Und vergesst es nie,  denkt dran spät und früh: Euch. ihr Sünder, die verloren,  ist der Heiland heut' geboren,  Christen, Euer Herr! Fürchtet Euch nicht mehr!" Dies ist ein altes Volkslied aus Pommern. Die Zeit des Gebens, des Liebens, der netten Worte, der Stille, der besinnlichen Momente. Die Zeit des Träumens, des Wünschens, des Beschenktwerdens, der erfreuten Gesichter. Ich wünsche Euch allen Frohe Weihnachten! 

Heiße Kartoffel im Mund?

Die heiße Kartoffel im Mund sagt man ja den Dänen nach, wenn man ihnen zuhört. Na ja, das ist immerhin eine Abwechslung zum dänischen Nationalgericht Hot Dog. Die Speisekarte ist also eher kurz geraten, ganz im Gegensatz zu den Franzosen, wo zur ewig langen Speisekarte noch der unvergleichliche Klang hinzukommt, wenn der Ober ( garçon) die Speisenfolge vorliest. Das klingt dann wie ein lustvolles Versprechen auf stundenlangen beiderseitigen Hormonaustausch.  Wie bin ich jetzt darauf gekommen? Ach ja, Kartoffeln und Hot Dogs!  Unsere Kinder haben das besondere Vergnügen und die große Chance, zweisprachig aufzuwachsen.  Hier im Haus versuchen die Eltern verzweifelt, ihren Sprößlingen in Deutsch klarzumachen, was wir wollen, im Kindergarten ( børnehave) dagegen lernen sie, die Kindergärtnerinnen auf Dänisch irre zu machen. Und natürlich versuchen wir Eltern unser Bestes, mit dem Dänisch der Kinder mitzuhalten, schon allein, um sie zu verstehen, wenn sie vom børnehave erzählen. Aber auc

KLANGSALAT - Daughter

Daughter - Elena Tonra, Igor Haefeli und Remi Aquilella Da denkt man manchmal, man hört was absolut neues, dann ist es das nicht mal. Nun gut, gemessen an AC/DC oder den Rolling Stones ist das Londoner Trio um Sängerin Elena Tonra, Gitarrist Igor Haefeli und Schlagzeuger Remi Aguilella brandneu, denn Daughter gründete sich gerade mal im Jahre 2010. Ihr erstes, ernstzunehmendes Album If you leave brachte das Trio 2013 heraus, und stellte sich damit in die Fußstapfen anderer Indie-Bands von der Insel wie The XX oder Cocteau Twins.   Vom Debütalbum If you leave möchte ich euch heute Smother vorstellen, der Song, durch den ich vor ein paar Tagen erst auf die Band Daughter aufmerksam geworden bin, und der meiner Ansicht nach der Höhepunkt des Albums ist. Das Album ist gar nicht so übel, auch wenn ihm ein bisschen der Tiefgang und die Professionalität fehlen. Aber es hörenswert und macht neugierig auf das derzeit aktuelle Album Not to disappear . Mal sehen, ob ich d