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Einstellungssache

Ich glaube, es war Thomas von Aquin, der einmal die Frage aufwarf, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben.
Engel habe ich noch nie auf einer Nadelspitze stehen sehen, aber mich. Jeden Tag.

Nach einem harten Arbeitstag ist es mir eine Freude und Wonne, mir den Schweiß der Arbeit, den Staub der Straße und auch den Streß unter dem sanften Strahl des heimischen Regenzimmers abzuspülen. Allein, vor das Vergnügen haben die Götter den Schweiß gesetzt. Mit anderen Worten: Bevor ich mich dem Vergnügen persönlicher Hygiene hingeben darf, muss ich mit der dämlichen Dusche umgehen lernen. Die verfügt nämlich nicht über einen dieser hochmodernen Einhand-Mischhebeln mit eingebautem, gradgenauem Thermostat, sondern "nur" über eine olle Zweigriffarmatur.
Obwohl ich beide Hähne unserer Mischbatterie in der Theorie drehen kann, bis der Arzt kommt, darf ich zur Einstellung einer angenehmen Duschatmosphäre sowohl den Heißwasser-, wie auch den Kaltwasserhahn nur mit äußerster Vorsicht bewegen. Im Laufe der Jahre haben sich gewisse Erfahrungswerte herauskristallisiert, mit denen ich nunmehr arbeite.
Nach dem vollständigen Entkleiden meines bewundernswerten Leibes, erklettere ich die Badewanne, die in unserer Badeoase gleichzusetzen ist mit der Duschwanne. Zunächst drehe ich den Heißwasserhahn um eine Vierteldrehung auf, quasi gleichzeitig wird der Kaltwasserhahn um etwa einachtel gedreht. Der erste Schwall Wasser aus dem Duschkopf nähert sich der Nullgradgrenze von unten. Im Bemühen, möglichst wenig Quadratmillimeter meiner zarten Haut mit dem Eiswasser in Berührung zu bringen, steige ich auf die äußerste Spitze meines rechten, großen Zehs und versuche im gleichen Augenblick, die  Badewannenwand zu erklimmen. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem ich mühelos auf einer Nadelspitze Ballett tanzen könnte.
Diesem ersten unglaublich eiskalten Schwall folgt nun übergangslos der zweite Schwall, dieses Mal aber ist die Wassertemperatur nur wenige hunderstel Grad kühler als die Sonnenoberfläche. Heißer Dampf steigt auf, während ich weiterhin Wannenballett tanze und nebenbei hektisch an Heiß- und Kaltwasserhahn hin und her drehe. Dabei beschwöre ich das Mantra der Duschgänger: "HEISSHEISSHEISS!KAALTKALTKALTKALT!"
Meine Erfahrungen mit der Einstellung der richtigen Wassertemperatur haben ergeben, dass ich die Wasserhähne wohl durchaus genügend Umdrehungen bewegen kann, um damit einmal die Welt zu umrunden, aber der Bereich zwischen Höllenheiß und Polareiskalt ist nur wenige Nanometer groß. Das Verdrehen einer Seite der Mischbatterie um nur einen Hauch bedeutet entweder genügend Dampferzeugung, um die Transsibirische Eisenbahn bis nach Wladiwostok zu bringen, oder spontaner Ortswechsel in das Nordmeer.
Nach einigem Hin und Her, bei dem meine Hautfarbe mehrfach zwischen dunkelblau und krebsrot wechselt, gelingt es mir endlich, mehr durch Zufall denn durch manuelle Abstimmung, eine Wassertemperatur zu erreichen, die meinem Drang nach Körperhygiene ebenso genügt, wie meinem Wunsch nach Entspannung und Wohlgefühl. Schöner kann es nicht sein, wenn warmes Wasser den Körper umspült und Schmutz, Schweiß und die Anspannung des Tages sanft in den Ausguss des Vergessens spült. Oh, feuchte Freude!
Und dann geht, irgendwo im Haus, ein Wasserhahn an. HEISSHEISSHEISS!

Ich habe daraufhin, da das Badezimmer nach dieser Kochwasserattacke vollständig in heißen Nebel getaucht war, einen Selbstversuch gestartet und ein x-beliebiges, zufällig herumliegendes T-Shirt angezogen. Ich konnte beobachten, wie innerhalb von wenigen Sekunden sämtliche Falten und Knitter auf magische Weise verschwanden. Nun denke ich darüber nach, Bügelbrett und Plätteisen im Keller verstauben zu lassen oder vielleicht auch gewinnbringend zu verhökern, um dann sämtliche Bügelwäsche im wabernden Heißnebel der Dusche am Leibe zu glätten. Was könnte ich an Strom und Arbeit sparen...

P.S.: Um die Frage des Aquinaten zu beantworten: Die einzig richtige Antwort (laut Kirche) heißt natürlich "alle". Jede andere Antwort von "Weiß ich nicht" bis "zweihundertsiebenundfünzig", um nur irgendeine Zahl zu nennen, hieße die Allmacht Gottes anzuzweifeln...

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