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Immer und überall...?

In was für einer modernen Welt wir doch leben. Das Fernsehen bringt uns Nachrichten und Bilder aus aller Welt, in Farbe und mit allerlei Geräusch unterlegt. Wir können mit beinahe jedem Menschen auf dem Erdenrund jederzeit kommunizieren, wir haben Telefon in der Tasche und sind überall und jederzeit erreichbar. Während wir unterwegs sind, können wir sogar jederzeit auf das gesammelte Wissen des Internets zugreifen, Emails abrufen, Nachrichten lesen, schreiben und sogar selbst zu einer Nachricht in den Abendmeldungen der Tagesschau werden.
Mittlerweile ist es völlig wurscht, wo und wann man gerade ist, man ist immer in der Lage, mit dem Rest der Welt zu kommunizieren. Natürlich braucht man dazu die entsprechende Technik. Aber nichts heutzutage ist einfacher, als sich Zugang zu einer unüberschaubaren Menge von Kommunikationswegen zu verschaffen. Selbst in der Einsamkeit der Wüste oder in den Abyssalen der Ozeane ist es uns mithilfe moderner Technik möglich, Markus Lanz auf der Wetten-Dass-Bühne zu beobachten oder den Live-Mitschnitt des letzten Falco-Konzerts herunterzuladen. Man könnte sogar aus der Einöde heraus mit seiner Familie telefonieren, aber wer macht das denn heute noch? Heute wird gepostet und getwittert, selbst eine SMS ist doch heutzutage schon „old school“.
Jedenfalls hat sich die Möglichkeit, jederzeit mit der ganzen mehr oder weniger zivilisierten Welt kommunizieren zu können, in einer Weise in unserer Gesellschaft ausgebreitet, dass heute am Telefon ganz selbstverständlich Fragen gestellt werden, die noch vor wenigen Jahren keinen Sinn ergeben hätten: „Wo bist du denn gerade?“

Zu jenen mittlerweile lang vergangenen Zeiten, in denen ich das elterliche Haus verließ, um auf eigenen Füßen zu stehen, hatte auch nicht die Gefahr bestanden, dass meine Erziehungsberechtigten im öffentlichen Raum Bilder entdecken, die ihre Nachkommenschaft in restlos unzivilisierter Haltung, in Begleitung von Menschen mit wechselhaften Moralvorstellungen und wenig stilvoll gekleidet unter den Tischen einer zweifelhaften, verrauchten und dunklen Spelunke zeigen. Heute ist nichts einfacher, als der gesamten kommunikativ verbundenen Menschheit mit nur wenigen Handbewegungen zu zeigen, was man gerade isst, trinkt, auskotzt… Alle reden über Datenschutz und den Schutz der eigenen Persönlichkeit. Gleichzeitig zeigt eine erschreckend große Menge der User eine unglaublich hohe Bereitschaft, ihr gesamtes Leben, Denken, Fühlen und Handeln über das Internet einem unüberschaubar großen Publikum zur Verfügung zu stellen.

Die Möglichkeit, einmal für eine kleine Zeitspanne nicht für alles und jeden erreichbar zu sein, einmal nicht zu jedem gewünschten Zeitpunkt mehr oder weniger lebenswichtige Nachrichten in die Welt zu schicken, ist für viele Menschen dieses Informationszeitalters gar nicht mehr vorstellbar.
Wer das Smartphone auf dem Schreibtisch vergessen hat, wessen Computer aus unerfindlichen Gründen nicht mehr startet, wer temporär keine Kommunikationsmittel in der Hand hält, fühlt sich nackt und vielleicht sogar ein bisschen schutzlos. 

Vor ein paar Tagen war etwas überraschend der Akku meines Handys leer, als meine Frau versuchte, mich telefonisch zu erreichen. Als ich endlich zuhause ankam, war mein geliebtes Weib vor Sorge völlig aufgelöst. Angesichts der Jahreszeit und der in diesem Zusammenhang herrschenden, etwas weniger komfortablen Straßenverhältnisse eine durchaus verständliche Reaktion.
Nachdem sich allerlei Nerven beruhigt hatten und wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war, dachte ich über diese kleine Begebenheit nach.

Ich selbst habe noch erfahren, was vor der Erfindung des tragbaren Telefons passierte, wenn man jemanden telefonisch nicht erreichen konnte. Dann war das eben so. Gegebenenfalls machte man noch den einen oder anderen Versuch, je nach Wichtigkeit der Mitteilung, und wenn man seinen Gegenüber nicht erreichte, dann wartete man eben noch ein Weilchen. Die Zeitspanne zwischen Nichterreichen und Sorgenmachen war erheblich länger als heute. Wer heutzutage auf den ersten Anruf nicht sofort reagiert, wer die erste SMS nicht umgehend beantwortet, ist bereits von finsteren Gesellen entführt, erdolcht, verscharrt worden. Na ja, vielleicht nicht ganz so schlimm. Aber Sorgen macht man sich ja doch. Was im Grunde auch gar nicht so schlecht ist. Immerhin zeigt es uns, dass wir unseren Mitmenschen nicht egal sind. Auch ein schöner Gedanke. 

Ich habe dieses kleine Erlebnis zum Anlass genommen, über mein eigenes Verhältnis zu Bruder Computer, dem allwissenden Internet und die allzeitliche Erreichbarkeit ein wenig nachzudenken.
Und ich werde ein wenig über die Verwendung des „Off-Schalters“ nachdenken…

In diesem Zusammenhang ein Spruch, im Internet gefunden (sic!):

Stell dir vor, du begegnest der Liebe deines Lebens, 
und bemerkst es nicht, weil du über deinem Smartphone hängst.

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