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Tirili! Piep, piep!

Hier oben im Norden haben wir im Allgemeinen das Glück, immer ein bisschen länger das Tageslicht genießen zu können. Jedenfalls im Sommer. Dafür tragen ja schon diverse Piepmätze Sorge, die mich exakt eine Stunde vor Sonnenaufgang lautstark darauf aufmerksam machen, dass das hier verdammt noch mal ihr ureigenes Revier ist und sich jeder andere gefälligst da raus zu halten hat.

Das hat man nun davon, dass man in grüner Natur wohnt und einen großen Garten hat. So ein Garten und ein Umfeld mit viel Bäumen, Gesträuch und Gestrüpp bietet nun mal auch vielerlei Geflügel reichlich Unterkunft und noch mehr exponierte Singwarten, von denen aus sich ebenso vehement wie lautstark das eigene Revier pfeifend, fiepend und tirilierend vor eventuellen Land-, Nist- und Brauträubern verteidigen lässt. Aber muss das denn so früh sein? Kann der gemeine gefiederte Flötentoni nicht warten, bis Mensch (also ich!) sanft aus Morpheus Armen in die Vertikale geglitten ist? Muss Freund Federpfeife mich unbedingt mitten in der Nacht aus den Daunen trompeten? Offensichtlich, denn es vergeht in dieser hellen, warmen Jahreszeit kein Tag, an dem ich nicht von Amsel, Drossel, Fink und Star ebenso früh wie nachhaltig aus tiefstem Schlafe gerissen werde. Das sind dann die Momente, in denen ich durchaus mal Appetit auf Geflügel bekomme. Warum auch immer...

Auf der anderen Seite hat das Konzert unserer gefiederten Fauna um die Mittagszeit eine gänzlich andere Wirkung als das frühmorgendliche Vogel-Äquivalent der „Einstürzenden Neubauten“.
Wenn nach dem mittäglichen Gelage die Bäuche kugelrund sind und die Augenlider schwer, wird es still in der Arbeitswelt. Ein jeder sucht sich in Büro, Baustelle oder Badezimmer ein gemütliches Fleckchen und fällt ins Suppenkoma. 

In dieser verfressenen Stille hat die Stimme der Natur nun endlich ihre Chance. Statt Bohrmaschinen, Kraftfahrzeugen und Kraftausdrücken hören wir, die wir im erholsamen Schlummer unseres Büroschlafes liegen, die zarten Stimmen von Meise, Kuckuck oder Sperling.
Die zarten Lieder von Nachtigall, Dompfaff und Zaunkönig tragen unsere erschlafften Seelen hoch in den blauen, sonnigen Himmel; wir schweben über der Arbeitswelt, genießen die Ruhe und den Frieden, solange wir können, bevor wir uns wieder hinab in die tägliche Mühsal stürzen und mit neuer Kraft dem Alltag mit all seinen Wirrnissen und Lärmkulissen widmen.
Es wäre so schön… Aber es bleibt ein Traumbild. Denn immer um die Mittagszeit herum, wenn ich dringend nach der ersten Hälfte eines ausgesprochen anspruchsvollen Arbeitstages und mit bis zum Bersten gefüllten Magen ein wenig Ruhe bräuchte, kommt der nette, ganz in dezentes Orange gekleidete Herr mit seiner Kehrmaschine und säubert dröhnend die Straße vom Dreck der Zivilisation. Kann der Mann nicht wenigstens noch ein halbes Stündchen warten, bevor er mit Getöse und Schrittgeschwindigkeit frenetisch die Straße schrubbt? Warum macht der Mann nicht auch eine Mittagspause? Und warum musste er unbedingt seinen Kollegen mit dem Rasenmäher mitbringen, der gleich um die Ecke in die gefräßige Stille mäht? 

Wieder einmal ist der so dringend benötigte Mittagsschlaf rüde unterbrochen worden, und mir bleibt nur die Hoffnung auf einen möglichst frühen Gang in die Horizontale, auf dass ich verpassten Schlaf endlich nachholen kann.
So bette ich im Schatten der untergehenden Sonne, wenn es langsam kühl wird, mein müdes Haupt in die weichen Kissen der heimischen Bettstatt. Schnell ein kleines Nachtgebet, die Augen schließen und nun mit Schwung Morpheus in die Arme hüpfen. Welch eine Wohltat, wenn ich in die Daunen sinke, mich in die Wärme der Bettdecke rolle und die Augen schließe.
Vor den Schlaf aber haben die Götter Nachbars Grillparty gesetzt. Da wird mit einem Hochleistungsföhn die Kohle zur Weißglut gebracht, der Grillmeister schreit nach Fleisch, Zange, Pflaster und Brandwundensalbe, die Hausfrau nach Tischdecke, Salatschüssel und Prosecco. Alsbald treffen die geladenen Gäste ein, und zu der Geräuschkulisse von brutzelndem Grillgut und streitenden Pärchen gesellen sich nun Flaschenklirren, Gelächter und Geschnatter.
An Schlaf ist nun nicht mehr zu denken. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich wieder in einigermaßen gesellschaftsfähige Kleidung zu werfen und den Nachbarn zu besuchen. Pulle oder Bulle – das kann er sich dann aussuchen. Und ich wette, er nimmt Pulle, dann höre ich morgen früh nicht einen einzigen Vogel mehr! 

Um auszuschlafen, braucht es eben manchmal einen kleinen Trick…

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