Manchmal frage ich mich, was wohl mit dieser Welt
passieren würde, gäbe es uns Männer nicht.
Baumärkte gäbe es wohl nur wenige, dafür aber eine ganze
Menge mehr Schuhläden und Boutiquen. Vermutlich wäre auch Unordnung ein
zumindest nicht ganz so heftiges Thema, da Frauen ja im Allgemeinen einen etwas
anderen Ordnungsbegriff haben, als wir Männer. Für uns zählt es ja schon als
„aufgeräumt“, wenn wir die abgelegten Klamotten mit einem halbwegs gezielten
Tritt grob Richtung Waschtrommel befördern.
Dergleichen Beispiele gäbe es wohl noch reichlich, aber insgesamt könnte man
wohl behaupten, ohne uns Männer wäre die Welt sauberer, ein bisschen blumiger
und vielleicht auch ein bisschen ruhiger.
Wenn es da nicht gewisse Situationen gäbe, die euch Frauen alltäglich beweisen,
dass es ohne uns Männer einfach nicht geht. Wer, um nur mal ein Beispiel zu
nennen, würde all die technischen Hürden meistern, um eine Glühlampe
auszutauschen? Wie sollte frau einen Reifen wechseln, nachts, in völliger
Einsamkeit und Dunkelheit, bei Regen? Wer würde all die schönen Kleider
kreieren? Oder die Schuhe? Und wer, wenn nicht wir Männer, würde in schöner
Regelmäßigkeit die schöne Jungfrau vor dem schrecklichen Drachen retten?
Vor einigen Tagen befand ich mich mitten in einer wenig testosteron-trächtigen
Beschäftigung: Ich half meiner Frau beim Reinigen der heimischen Wohn- und
Schlafräume. Ich weilte gerade bewaffnet mit Eimer, Lappen und etlichen
Reinigungsmitteln im Oberdeck unseres Schlosses und bedrohte die dortige
Toilette mit absoluter Sauberkeit, als aus der Küche ein spitzer Schrei des
Schreckens ertönte. Natürlich unterbrach ich sämtliche Reinigungsrituale und
lauschte gespannt zunächst den Hilferufen aus den Tiefen des Wohnhauses, genauer
gesagt, aus der Küche, dann dem Rauschen des Testosterons in meinem Blute. Was
ich zu hören bekam, ließ den Schluss zu, dass sich in der Küche ein
achtbeiniges, behaartes, mindestens vier Meter hohes Monster breit gemacht hat,
dass a) den Fluchtweg versperrt und b) meine Frau zu verspeisen gedenkt. Ich
stellte also mein Desinfektionsmaterial beiseite und machte mich gemächlich auf
den Weg zum Tatort, während von unten beständig die Schreie der Not und der
Pein an mein Ohr drangen. Das wilde Geschrei um Hilfe hatte inzwischen auch die
Kinder alarmiert und in die Küche getrieben, wo nun auch ich, als heroischer
Retter in strahlender Rüstung, eintraf. (Mein stattlicher Hengst musste leider
draußen bleiben und graste friedlich vor dem Haus.) Meine Frau drückte sich in
der hintersten Ecke unserer kleinen Küche herum, mit schreckgeweiteten Augen
und bereits heiser vom ständigen Schrei nach ihrem Helden. Jung Siegfried und
Prinzessin Tausendschön standen mittendrin und lachten sich schlapp.
Held, der ich war, fragte ich mein Weib zunächst mal nach dem Grund ihres
Alarms und erhielt zur Antwort einen ausgestreckten Arm, der grob Richtung
Fenster deutete, sowie eine verbale, eher schlicht gehaltene Beschreibung:
„IIIIIIIIIH! MACH DAS WEG!“ Eine nähere Untersuchung in angegebener Richtung
ergab, dass sich am Küchenfenster ein Exemplar der Arachnidae befand, komplett
mit acht Beinen sowie Prosoma und Opisthosoma, also Vorder- und Hinterleib,
ungefähr riesige zwei Zentimeter groß im Durchmesser. Zudem war das monströse Spinnenvieh
auch noch ausgesprochen lebendig, was sich in einer deutlichen Wanderbewegung
zeigte, deren Ziel offenbar in der Nähe meiner Frau lag. Das dürfte zum
allgemeinen Schrecken meines Eheweibes beigetragen haben.
Der heroische Ritter straffte seine Rüstung und wählte seine Waffen: „Habt
keine Angst, meine Königin! Ich werde Euch sogleich erretten! Weh dir,
schreckliches Untier!“
Ich warf mich mit lautem „Hurra!“ und einem Küchentuch auf den fürchterlichen
Drachen und bezwang ihn mit List und Tücke. Und mit einem ebenso heftigen wie
gezielten Schlag auf den Kopf.
Das Küchentuch bildete nun das Leichentuch für meinen in heroischem Kampf
gefallenen, tapferen Gegner; ich nahm es auf und begab mich als siegreicher
Ritter mit dem Beweis meines Mutes zu meiner Königin, um ihr meine Beute zu
Füßen zu legen. Statt nun der Bewunderung ob meines geradezu unerhörten Sieges
würdig Ausdruck zu geben, drängte sich meine kürzlich Gerettete noch weiter in
die Ecke, verdrehte Augen, Nase und sogar die Lippen, rollte Zehennägel und
Fußzehen ein und lehnte aus mir nicht erklärlichen Gründen die angebotene
Trophäe angeekelt ab. Mir blieb also nichts anderes übrig, als den platten Leib
des Monsters den Dunklen Wasserfällen der Toilette zu übergeben, um meiner Frau
den Schrecken zu nehmen: „Ihr seid errettet, oh holde Maid!“ Erleichterung
strömte über das Gesicht meiner Holden, und ich bekam endlich den traditionellen
Siegespreis: Einen Kuss! Mit stolz geschwellter Brust und wehenden Fahnen ritt
der Held in den Sonnenuntergang, während die Kinder sich lachend auf dem Boden
wälzten.
Noch stundenlang konnte man unsere Kinder hören, wie sie immer wieder „Iiiih!“
schrien, und „Igitt! Eine Spinne!“ Und immer wieder musste ich als Held in
strahlender Rüstung antraben und retten, was zu retten ging, während meine Frau
den Schrecken verdaute und sich vielleicht auch ein wenig ob ihrer
Schreckhaftigkeit schämte.
Wahrscheinlich wäre die Welt tatsächlich sauberer und ein bisschen blumiger
ohne uns Männer. Aber gewiss nicht ruhiger, denn sie würde erzittern unter
dem Geschrei der Frauen, die Schutz und Hilfe suchen vor Spinnen, Mäusen,
Wespen und anderen ekligen Viechern.
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