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Ein echtes Mädchen, irgendwie...

Unsere Tochter ist schon ein Früchtchen. Eigentlich ist sie ja unsere Prinzessin, und alles an ihr schreit auch mehr oder weniger deutlich „Achtung, hier kommt ein Mädchen!“ Blonde, lange Haare, blaue Augen, ein niedliches Lächeln und ein hübsches Gesicht. Gut, die eigenen Kinder sind immer die schönsten, aber in diesem Falle bin ich durchaus überzeugt, dass auch unvoreingenommene, objektive Beobachter unsere Tochter als wohlgestalt bezeichnen würden.
Allerdings hat unsere Prinzessin einige absolut ganz und gar nicht mädchenhafte Züge. Dazu zählen zum Beispiel unzählige blaue Flecken und ein undurchdringliches Muster an Kratzern und Macken an allen Extremitäten, die sie sich auf ihrem Weg durch sämtliche Hecken und auf alle Bäume dieser Stadt hart und ohne Murren erarbeitet hat. Zuweilen stammen diese Blessuren aber auch von den Lektionen, die sie jenen unwissenden Knaben erteilt, die bis dahin glaubten, ein schwaches Mädchen ärgern zu können.
Die schnelle Rechte unserer Tochter ist im Kindergarten inzwischen ebenso bekannt wie gefürchtet!
Und wenn sich unsere kleine Tochter dann einmal am Tag in das Kachelzimmer zurückzieht, sind hinterher umfangreiche Renovierungsmaßnahmen notwendig, weil nicht nur sämtliche Kacheln von der Wand fallen, sondern auch Fenster und Spiegel erblindet sind. Weitere Details möchte ich dem Leser hier ersparen. Ich möchte hier nur noch ihren Großen Bruder zitieren, der empört und ganz grün im Gesicht fragte: „Sag mal, spülst du denn nicht runter?“
Es gibt allerdings eine charakterliche Eigenart, die unsere Tochter sehr eindeutig und ohne Zweifel zu einem echten Mädchen macht.

So langsam fällt mir eine gewisse Regelmäßigkeit auf. Etwa alle zwei Monate müssen wir mit Prinz Weißichschon und Prinzessin Ichauch unseren örtlichen Händler für Schuhwerk besuchen, um die Hufe der Kinder neu besohlen zu lassen. Man hat zuweilen den Eindruck, dass unsere Sprösslinge wachsen wie Unkraut, vor allen an den Füßen. Vor einigen Tagen war es dann auch wieder so weit, dass wir Sohn und Tochter in die Innenstadt entführen mussten, weil das alte Schuhwerk teils in seine Einzelteile zerfiel, teils aber auch unerklärlicherweise und überraschend geschrumpft war.
Lassen wir mal Prinz Ichkanndasschon beiseite. Bei ihm verlief der Schuhkauf so, wie man es von einem zukünftigen Mann erwarten kann. Schuh ist dunkelblau oder schwarz, sieht annähernd sportlich aus und passt. Bezahlen (lassen), fertig.
Bei meiner Tochter stellte sich das ganze nicht ganz so einfach dar. Wie könnte es auch anders sein? Immerhin ist sie der femininen Hälfte der Gattung Mensch zuzurechnen.
Zunächst musste die richtige Größe festgestellt werden. Im Grunde ist das auch nicht schwer, denn in jedem Schuhladen, der was auf sich hält, existiert mindestens eines dieser Dinger, die aussehen wie eine Mischung auch Hackbrett und Schieblehre und mit denen sich die Schuhgröße exakt feststellen lässt. Vorausgesetzt, gnä‘ Frau schaffen es, wenigstens mal eine einzige kurze Sekunde ruhig still zu stehen. 
„Nein, die Hacken müssen ganz nach hinten. Die Hacken sind hinten an den Füßen. Dreh dich bitte um! Noch ein kleines Stück nach hinten, Schatz. Du sollst nicht von dem Ding steigen! Komm zurück! Stillhalten! 32! Nein, 29! 30? Och, nun halt doch mal still!“ 
Und so weiter, und so fort.
Letztlich einigten wir uns nach etlichen Versuchen und ebenso zahlreichen Schätzungen im Schnitt auf Schuhgröße 30. Meine Frau und ich parkten lieb Töchterchen vor dem hauseigenen Kinderkanal, wo sich ihr Bruder bereits heimisch eingerichtet hatte, und wuselten durch die Gänge, auf der Suche nach hübschen und passenden Schuhen für junge Damen. Wir stellten eine Auswahl praktischer Schuhe zusammen und führten sie Prinzessin Dasgefälltmirnicht freudestrahlend vor. Nun ja, alle Schuhe fielen durch. Jene waren zu bunt, diese zu blau, andere nicht rosa genug, und hier war ja gar kein Filly drauf! Also nochmal das ganze….
Nein, diese sind so spitz, jene zu doof, und gibt es denn kein Hello Kittie?
Etwa elf verschiedene Paar Schuhe (ausschließlich Größe 30) später war unsere königliche Schuhkäuferin zumindest hinsichtlich des Designs einigermaßen zufrieden gestellt. Sie entschied sich für rosa-farbene, flache Schuhe in sportlichem Design, mit einem gefälligen Filly-Motiv und mit reichlich Löchern, aber ohne Schnürsenkel. Sehr schön.
Wie eben gerade gemessen, sollte Schuhgröße 30 also passen, aber wir probieren besser nochmal an. Schuhgröße 30 war zu groß! Meiner Frau, die sich schon beinahe auf dem Heimweg wähnte, stiegen die Tränen ins Auge. Wir kramten in den Regalen nach dem Modell in Größe 29, jubelten verhalten, als wir es wider aller Hoffnung fanden, und nagelten einen der Schuhe an den töchterlichen Huf. Der Schuh war zu klein! Ich knirschte mit den Zähnen, beruhigte meine Frau und begab mich anschließend auf die Suche nach weiteren Schuhen, die vielleicht sogar passen würden. Aber jene waren unpraktisch, diese einfach nur hässlich, die da drüben gab es nicht mehr in der passenden Größe, und die hier vorne schieden ganz aus.
Währenddessen machte Prinzessin Ichwillaber unmissverständlich und vernehmlich klar, was sie wollte: Diese Schuhe nämlich, die ihr doch, trotz richtiger Größenprägung an der Sohle, ein gutes Stück zu groß waren. Die wollte sie haben. UN-BE-DINGT!

Meine liebste Frau und ich beratschlagten unter großer Geheimhaltung und mit viel Getuschel, was nun zu tun sei. Keiner von uns beiden hatte noch Lust, weitere Schuhläden zu besuchen, zumal es in unserer Stadt zwar unzählige Verkaufsstellen für Damenschuhe, aber nur ein recht geringes Angebot an Kinderschuhen gibt. Wir schauten uns das Objekt der töchterlichen Begierde noch einmal genauer an. Löcher. Für Schnürsenkel… Aber es sind eigentlich keine Schnürsenkel vorgesehen, für dieses Modell. Eigentlich… Und die Füße unserer derzeit noch recht kleinen Madame wachsen jeden Tag ein bisschen. Es wäre also nur eine Frage der Zeit, wann die Schuhe perfekt passen würden.
Der Plan war gemacht: Die Schuhe bekommen Schnürsenkel! Unsere Tochter belohnte uns mit einem strahlenden Lächeln der Marke „Wusste ich es doch!“, als wir ihr unsere Entscheidung, eben diese gewünschten Schuhe zu erwerben, mitteilten. Was hatten wir doch für ein Glück! Irgendwie…
Von da an ging alles sehr schnell. Die bummelig zwei Dutzend Paar Schuhe, die wir aus den Regalen entführt und vor dem Thron unserer Tochter aufgetürmt hatten, wurden wieder mit ihren Regalliegenachbarn vereint, unser Sohn vom Schuhladenfernsehen enteist und an die Hand genommen und unsere Tochter davon überzeugt, die alten Schuhe zum Abschied noch ein einziges Mal zu tragen. An der Kasse übereigneten wir unsere kümmerlichen Reichtümer im Austausch gegen ein Paar Schuhe für echte Kerle, ein Paar Schühchen für kleine Zicken sowie ein Paar pinker, passender und sauberer Schnürsenkel, und schon traten wir mit unserer Beute stolz den Heimweg an, wo Sohn und Tochter stolz und in aller Ausführlichkeit ihre schönes, neues, sauberes Schuhwerk diversen Omas und Opas präsentierten. Perfektes Glück..!

Nur zwei Tage später sahen die Schuhe schon wieder irgendwie alt und abgetragen aus. Kinder eben…


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