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Und jetzt?

Hemingway kannte es. Tolstoi wahrscheinlich auch, Melville ganz sicher.

Irgendwo habe ich mal von einem Autoren gelesen, der von sich sagte, pro Tag etwa 400 Worte zu schreiben. „So ein Witz!“, dachte ich da. Immerhin schreibe ich, wenn ich endlich mal wieder dazu komme, immer so um die tausend Worte. Aber ich beschäftige mich ja auch nicht mit tiefgehender Recherche, einem Spannungsbogen über mehrere Zeitabschnitte, hab auch keine ausgefeilten, sich ständig entwickelnden Charaktere und brauche auch nicht unbedingt auf Logik, Sinn und Zusammenhang achten. Ich schreibe ja nur kleine Geschichten. Aber – einfach ist auch das nicht. 

Seit einer gefühlten Ewigkeit nun habe ich nichts mehr zu Papier gebracht und auch keine Geschichte mehr in den Blog gestellt. Ich weiß nicht, wie es der kleinen Schar meiner Leser geht, aber ich finde das sehr schade. Ich würde gern mal wieder eine lustige Geschichte schreiben, etwas, das ein Lächeln auf die Gesichter der Leser zaubert, oder sie vielleicht sogar zu schallendem Gelächter animiert. Ich würde davon erzählen, wie ich das halbe Wohnzimmer verwüstet habe, um ein kleines Insekt nicht etwa schmählich zu zerquetschen, sondern in die rettende Freiheit zu geleiten. Ich würde auch gerne von den vielen kleinen Katastrophen erzählen, die uns unsere Kinder in ihrer Unschuld bereiten, oder unsere Katze. Mir fallen auch die richtigen Worte ein, die richtigen Sätze sogar. Aber die Geschichten fügen sich nicht zusammen, und, was weitaus schlimmer ist, mir fallen diese genialen Textschnipsel immer dann ein, wenn ich bis zu den Ellenbogen im Spülwasser hänge, gerade in einer wichtigen (Das sind sie immer!) Besprechung sitze oder von einem Termin zum nächsten hetze. Kurz gesagt: Wann immer mich die Muse küsst, prügelt mir die Pflicht alle tollen Ideen und Einfälle wieder aus dem Hirn. Schlechtes Timing, würde ich sagen.
 
Was übrig bleibt, ist eine leere Seite und ein verwaister Blog. Und ein gehöriger Frust. Hinzu kommt eine merkwürdige, geradezu „Murphy-eske“ Gesetzmäßigkeit: Wann immer ich mein Notizbuch dabei habe, kommt mir garantiert nicht eine einzige, auch nur halbwegs verwertbare Idee. Aber sobald das Notizbuch an dem am weitesten entfernten Ort fleißig Staub sammelt, sprühe ich vor Einfällen. Es ist zum Heulen! Ich versuche dann immer, so viel wie möglich im Kopf zu behalten, bis ich ein wenig Zeit und einen Zettel habe, um meine Idee auf dem Papier festzunageln. Und dann stehe ich da vor dem Blatt, und der Gedanke ist allen Bemühungen zum Trotz über alle Berge. Nein, das Schreiben fällt mir nicht leicht. Oder irgendwie schon. Wenn ich die Zeit und die Muse habe, wenn ich die Ideen festhalten kann, wenn ich den richtigen Anfang finde. Aber das ist das Schlüsselproblem:
In meinem Kopf rasen die Worte ziemlich ziellos umher, Silben werden zu Worten, Worte zu Sätzen und Sätze zu Geschichten – aber so schnell, wie sie aufeinander treffen, zerplatzen sie auch wieder. Wie die Seifenblasen… Dabei habe ich so oft das Gefühl, mein Kopf müsse doch langsam platzen! Der Drang, endlich mal wieder was Vernünftiges zu Papier zu bringen, wird mit jedem Tag stärker. Aber es will mir einfach nicht gelingen.
Kaum sitze ich da, bereit, meine Geschichte aufzuschreiben, bleibt das Papier ebenso leer, wie der bis gerade eben noch zum Bersten gefüllte Kopf. Hat Hemingway so was erlebt? Oder Terry Pratchett? Was macht Umberto Eco, wenn er nicht schreiben kann?
Hemingway hätte sich wahrscheinlich erst mal einen Whisky gegönnt, noch einen. Pratchett? Vielleicht hätte er seinen Hut aufgesetzt und wäre spazieren gegangen. Eco wird vielleicht mit Kollegen vortrefflich philosophieren, bis der Knoten platzt. Und ich? Ich sitze vor dem leeren Blatt Papier, vor dem strahlend weißen Bildschirm und verzweifle langsam.

Vielleicht sollte ich mich wenigstens ein bisschen an Henry Miller halten. Seine Bücher wirken auf mich, als habe er sich bisweilen ordentlich einen hinter die Binde gekippt, ehe er sich mit einem weiteren Drink in der Hand an die Schreibmaschine setzte. Na ja, ich gebe zu, ich trinke gerne einen Whisky. Einen! Nicht die ganze Flasche, um dann später volltrunken und manisch depressiv literarische Meisterwerke zu verfassen.
Andererseits hätte es vielleicht so seine Vorteile, wenn ich mir wenigstens ansatzweise Promille in die Blutbahn drücken würde. Alkohol ist ja schließlich dafür bekannt, die Hemmschwelle mit dem metaphorischen Vorschlaghammer einzureißen. Was vermutlich auch die am nächsten Morgen unvermeidlichen Kopfschmerzen erklärt. Aber das nur am Rande. 

Vielleicht sollte ich mich für eine kleine Weile von Frau, Kindern und Katze verabschieden, mein Notizbuch nehmen, und mich mit einem Glas wirklich guten Whiskys an den Schreibtisch setzen. Ein bisschen gute Musik wäre nicht schlecht, instrumental, damit mich der Text der Lieder nicht entführt. Und dann sollte ich einfach schreiben, ohne an all die Geschichten zu denken, die ich erdacht, vergessen, entworfen und verworfen, angefangen und dann doch nicht beendet habe.
Ja, das sollte ich tun. Nur… Wann?

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