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Feuchte Verwandlung

Noch vor wenigen Tagen präsentierte sich der Winter als eine Sinfonie aus Regen, Sturm und Matsch, statt einer weißen Pracht. Was unsere Kinder natürlich nicht einen Augenblick davon abgehalten hat, durch die frische Luft zu toben. Das sollen sie ja auch. Was sie dabei vielleicht nicht ganz so sehr beherzigen sollten, ist der Leitspruch unserer Kindergärtnerin: „Pfützen schützen!“

Es gibt einen Duft, der jedem erwachsenen Menschen irgendwann in die Nase steigt und den selbiger nie wieder vergisst. Und wir alle verbinden diesen Duft mit Niedlichkeit, Geborgenheit, Sauberkeit, Gemütlichkeit und all den kleinen Dingen, die das Leben, zumal als Eltern, so angenehm machen. Es ist der Duft, den frischgewaschene und gepflegte Kinder aussenden, der uns Eltern, Großeltern und eigentlich auch alle anderen dahinschmelzen lässt.

Ich weiß nicht, ob alle Kinder das können, aber unsere Kinder schaffen es, diesen Duft nach Seife, Creme und genereller Sauberkeit bis in den nächsten Morgen zu tragen, während wir Alttiere trotz intensiver Dusche, diversen Eau de Toilettes, Deos und Minz-Oblätchen am frühen Morgen müffeln wie eine Herde Lamas im Herbst. Beneidenswert, nicht wahr? Duscht man die Kinder allerdings morgens früh, ehe sie das Haus in Richtung staatlicher Erziehungs- und Ausbildungseinrichtungen verlassen, duften sie am Abend allerdings auch nicht mehr unbedingt nach Rosenwasser.

Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte, die sich in den letzten herbstlichen Tagen zugetragen hat, hier bei uns, wo der Winter ein schlechtgelaunter Abklatsch des Herbstes ist, der für gewöhnlich auch nicht besser gestimmt ist.
Noch bevor die Sonne hinter dichten, grauen Wolken aufgegangen war, hatten wir unsere Brut aus den Betten gezerrt und, angesichts der umfangreichen Hygiene-Maßnahmen am Vorabend, in hübsche, saubere Kleidung gewickelt, ehe wir sie nach einem opulenten ersten Frühstück in die Hände erfahrener Erzieher und Lehrer in den oben bereits erwähnten Einrichtungen übergaben. 
Stolz schwellte (wie so oft) unser beider Brüste, als allenthalben die Wohlgestalt und Niedlichkeit unserer Kinder bemerkt und sehr wohlwollend kommentiert wurde. Prinzessin Tausendschön fand das auch ganz toll, während Prinz Daskannichschon es dann doch eher „uncool“ fand, als „niedlich“ bezeichnet zu werden. Wie dem auch sei, wir hatten der Welt gezeigt, dass wir mit vereinten Kräften durchaus in der Lage waren, ordentliche Menschenkinder aus unserem Nachwuchs zu machen. 
Irgendwann am Nachmittag holten meine liebste Ehefrau und ich unsere beiden Sprösslinge wieder aus Kindergarten und Schule ab. Wie groß war unsere Freude, als wir im Kindergarten unsere Tochter friedlich spielend am Tisch fanden, das Kleid noch tadellos, die Haare dagegen wild in alle Richtungen abstehend. Und sie roch immer noch nach Seife und Creme. Und nach Wasserfarbe, Knete und Kleber… aber damit konnten wir beide sehr gut leben. 
Solchermaßen froh gestimmt machten wir drei uns auf den Weg, den Junior aus der Schule abzuholen. Was wir erwartet hatten, war ein junger Mann von bummelig sechs Jahren, der sich freudestrahlend in die Arme seiner Eltern wirft und von den Abenteuern seines Schultages erzählt. 
Was wir bekamen, war ein brauner, nasser, tropfender Bär von der ungefähren Größe unseres Sohnes, der sich freudestrahlend in die Arme seiner flüchtenden Eltern zu werfen versuchte und von den Abenteuern seines Schultages erzählte. Was uns da entgegensprang, hatte mit dem sauberen, duftenden, ordentlich gekleideten Jüngling des Morgens aber auch gar nichts mehr zu tun. Die Hose wies ein respektables Loch in rechter Kniehöhe auf, die vormals dicke, graue Jacke war nun braunschwarz und schwer von Wasser, die Stiefel wiesen ebenso wie Mütze und Schal eine Panade aus Erde, Mulch und Laub auf und Gesicht und Hände waren vorschriftsmäßig und äußerst gründlich in Matschfarben getarnt. Nur der Schulranzen strahlte in jungfräulicher Sauberkeit vom grau-braunen Rücken in die Welt. Das gefährliche an der Schule ist eben nicht der Unterricht, sondern sind die Pausen, in denen allerlei Unsinn getrieben werden kann. 
Nach einem ersten Überraschungsmoment und einem leichten Naserümpfen nahmen wir Prinz Matschgesicht mit spitzen Fingern an den Händen und geleiteten ihn ins sichere Heim, wo ihn neben einem warmen Getränk und trockener Kleidung auch eine gründliche Ganzkörperwäsche erwartete. 
Natürlich befragten wir Sohnemann ausführlich nach den Gründen seiner feuchten Verwandlung in einen Schmutzmagneten, und natürlich war er selbst gar nicht daran schuld, dass er so dreckig war. 
„Die Pfütze hat mich angesprungen!“, behauptete er und betonte noch einmal: „Das war ich gar nicht!“ Hier halfen dann auch alle guten Gründe, ausgefeilten Argumentationen und stichhaltigen Beweisführungen nichts, die Pfütze war und blieb Schuld. 

Glücklicherweise sind wir im Besitz leistungsfähiger Wasch- und Trockenautomaten sowie eines Familienvaters, zu dessen kleinen Hobbies erstaunlicherweise das Bügeln gehört, sodass jenes Pfützenabenteuer fast ohne weitere Folgen blieb. Einzige Folge war gerade mal ein kaum merkliches Anwachsen des Stapels Bügelwäsche, was aber auch irgendwie im Sinne der Kinder war. Denn immer, wenn Papa das Bügelbrett aufbaut, bedeutet das für die Kinder: Fernsehen! Dieses Mal durfte der Film ein bisschen länger ausfallen. Auch nicht schlecht!

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