Vor etwas über zwei Jahren hatten wir unseren Sohn in der Schule angemeldet, und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich mich damals fühlte. Ich erkannte die Gerüche wieder, die in den Fluren herrschten, diese Duftnoten nach kaltem Schweiß, verbrauchter Luft und Feuchtigkeit.Ich erkannte die scheinbar unvermeidlichen Wandfarben wieder, in unsäglichem Umbra, ekligem Elfenbein, grässlichem Grün, alle abwaschbar.
In mir regten sich plötzlich Emotionen, wie ich sie seid bummelig dreißig Jahren nicht mehr gespürt hatte. Durch meinen Kopf gingen Gedanken wie „Ich habe meine Hausaufgaben vergessen!“ - „Hoffentlich kommt heute keine Klassenarbeit! Ich habe nicht gelernt!“ - „Hatten wir überhaupt Hausaufgaben auf?“
Kurz: Als ich mit Frau und Kind vor über zwei Jahren vor dem Büro des Rektors stand, um unseren Sohn anzumelden, war ich das personifizierte schlechte Gewissen.*
In mir regten sich plötzlich Emotionen, wie ich sie seid bummelig dreißig Jahren nicht mehr gespürt hatte. Durch meinen Kopf gingen Gedanken wie „Ich habe meine Hausaufgaben vergessen!“ - „Hoffentlich kommt heute keine Klassenarbeit! Ich habe nicht gelernt!“ - „Hatten wir überhaupt Hausaufgaben auf?“
Kurz: Als ich mit Frau und Kind vor über zwei Jahren vor dem Büro des Rektors stand, um unseren Sohn anzumelden, war ich das personifizierte schlechte Gewissen.*
Und ich kenne kaum einen Menschen, dem es in ähnlicher Lage nicht genauso gegangen wäre.
Vor ein paar Tagen wurde unsere kleine Tochter wieder ein bisschen größer. Wir hatten einen Brief erhalten, genauer gesagt, eine Einladung. Die Schule, die unser Thronfolger bereits seit zwei Jahren recht erfolgreich besucht, lud uns zu einem Gespräch zum Thema Einschulung der Tochter ein. Wir mögen uns doch bitte an einem ansonsten eher normalen Donnerstag, irgendwann zwischen morgens um acht und nachmittags um drei, im Büro des Rektors einfinden, hierzulande Kontor genannt, was meiner Ansicht nach eines der schöneren alten Worte ist, die unsere Muttersprache irgendwo auf dem Weg in die Moderne bedauerlicherweise verloren hat.
Aber in dieser kleine Geschichte soll es gar nicht um unsere wachsende Tochter gehen, die an diesem regnerischen Donnerstag ihr Einführungsgespräch mit dem Rektor ihrer künftigen Lehranstalt hatte.
Natürlich war sie stolz bis ins letzte Eck (wir natürlich auch!), schaute sich neugierig um und schwieg beharrlich, als der Rektor versuchte, sie auszufragen. Sie war aber in wenigstens einer Hinsicht nur Nebendarstellerin eines Geschehens, das sich ganz genau so zugetragen hatte, wie ich es nun berichten will.
Es war also Donnerstagmorgen, kurz vor acht. Draußen war der Himmel grau, die Luft noch feucht vom letzten Regen, und die Temperaturen noch weit unterhalb der eigenen Komfortzone. Im Schulgebäude, vor dem Kontor (ich liebe dieses Wort!) hatte sich bereits eine Mutter mit ihrem aufgeregtem Kind versammelt. Lächeln, „Guten Morgen“ sagen, warten. Und während wir darauf warteten, ins Vorzimmer des Rektors gerufen zu werden, versammelten sich immer mehr Mütter, Väter und Großeltern und natürlich die dazugehörigen künftigen im Flur der Schule. Ich ließ meinen Blick über die Menge gleiten und erkannte dieselbe Nervosität, wie ich sie selbst nur etwa zwei Jahre zuvor verspürt hatte, als wir unseren Sohn in ebendieser Schule anmeldeten. In den Gesichtern der Mütter und Väter zeigte sich nicht nur die Nervosität, sondern auch das schlechte Gewissen, das sich offenbar immer dann einstellt, wenn man selbst auch nicht der vorbildlichste Schüler war. Ich grinste leise in mich hinein, beugte mich zu meiner Frau hinüber und flüsterte vernehmlich: „Hoffentlich ist die Prüfung nicht so schwer! Ich habe gar nicht gelernt!“ Meine liebe Frau schaute mich an und meinte nur: „Ach, das schaffen wir schon.“ Dutzendweise drehten sich Köpfe zu uns, öffneten sich Ohren weit und Augen gar noch weiter. Das Wort „Prüfung“ sprang munter von Gewissen zu Gewissen und löste wahre Sturzfluten von Schweiß auf den Stirnen der Väter und Mütter aus.
„Prüfung? Was wird denn da geprüft?“
„Oh Gott, ich hab doch gar nichts gelernt!“
„Hat du gehört? Eine Prüfung! Ich hab's dir doch gesagt!“
Genau zu diesem Zeitpunkt öffnete sich die Tür, und die Sekretärin erschien, um uns in das Büro zu bitten. Meine liebe Frau und ich widmeten uns unter der liebevollen und wortreichen Hilfestellung der Sekretärin dem unvermeidlichen Bürokratismus, während unsere baldige Musterschülerin mit einer Mischung aus Scheu, Neugierde und Stolz das gesamte Vorzimmer gewissenhaft untersuchte. Geburtsurkunden wurden untersucht, und für gut befunden, Rechtschreibfehler in Namen und Adressen korrigiert (in rot natürlich), ein paar nette Worte gewechselt – das ganz normale Verwaltungsgeschäft eben. Als alles zur Zufriedenheit der Vorzimmerdame geprüft, korrigiert, nochmals geprüft, unterschrieben und gegengeprüft war, wurden wir wieder vor die Tür gebeten, weil der Rektor noch im Gespräch war.
Als wir wieder vor die Tür in den Flur traten, blickte ich in erwartungsvolle, große, ängstliche Augen: „Und?“ schwebte die unausgesprochene Frage in Blockbuchstaben im Raum, oder besser, im Flur. Ich ließ die Schultern theatralisch hängen und wanderte nervös vor der Tür hin und her. „Mündliche...“ murmelte ich und wanderte weiter, den Blick unstet zwischen den Anwesenden hin und her schweifend, die Hände ringend. Mein Frau klopfte mir auf die Schulter, nahm meine Hände und sprach: „Ach, komm. Wird schon nicht so schlimm werden. Das schaffen wir schon!“ Und unsere Tochter erzählte jedem, der es wissen wollte (oder auch nicht): „Ich gehe jetzt bald in die Schule! Im Sommer, wenn es warm ist!“
„Ja, Schatz!“ sagte ich, „wenn Mama und Papa die Prüfung schaffen.“ Aber davon wollte Töchterchen natürlich gar nichts hören. Verständlich, denke ich.
„Die machen da ernsthaft eine Prüfung?“
„Mündliche? Was meint der Typ mit mündliche?“
„Ich hab dir doch gesagt, es gibt eine Prüfung! Aber du wolltest mir ja wieder nicht glauben!“
Gerade als erster Zweifel aufkam und sich einer der nervöseren Väter mit fragendem Blick an mich wenden wollte, öffnete sich die Tür zum Kontor erneut. Dieses Mal stand aber der Rektor höchstpersönlich in der Tür, mit einem eher neutralen Gesichtsausdruck. „Wenn Sie bitte hereinkommen wollen...“
Tochter stürzte voran, meine liebe Frau hinterher, und ich ließ noch einmal einen verzweifelten Blick auf die Menge los: „Himmel, hilf!“, als ich mit hängenden Schultern hinterher schlurfte.
Das Gespräch mit dem Rektor war entspannt, freundlich und, alles in allem, erfolgreich. Unsere Tochter war erstaunlicherweise von plötzlicher und völlig unerwarteter Stummheit geplagt, aber das schrieben wir unisono der neuen Umgebung, der allgemeinen Nervosität und ein bisschen auch dem schlechten Wetter zu. Dann war das Gespräch auch schon beendet, und wir erhoben uns, bedankten einander für die netten Worte und verließen das Büro. Ich trat als erstes mit strahlendem Gesichtsausdruck vor die Tür, schleppte meine kleine Familie hinterdrein, wandte mich der nächstbesten Mutter zu und raunte deutlich hörbar: „Aufgabe drei! Die Antwort ist BEH!“
Die Frau schaute mir einigermaßen verblüfft nach, während ich mit Frau und Kind im Schlepptau eilends und über alle Backen grinsend dem Ausgang zustrebte. Als sich die Tür langsam schloss und wir auf dem Schulhof waren, drang das befreite Lachen der wartenden Menge an unsere Ohren. Und wir lachten mit.
Humor ist ein hartes Geschäft. Nichts ist schwieriger, als Menschen zum Lachen zu bekommen. Man muss auf das richtige Timing achten, so unglaublich viele Befindlichkeiten beachten, darf nicht übertreiben und sollte immer ausgesprochen gut vorbereitet sein. Fragt Charlie Chaplin, Loriot oder Robin Williams.
Aber manchmal ist der beste Humor eben doch der, der aus dem Bauch heraus kommt!
Vor ein paar Tagen wurde unsere kleine Tochter wieder ein bisschen größer. Wir hatten einen Brief erhalten, genauer gesagt, eine Einladung. Die Schule, die unser Thronfolger bereits seit zwei Jahren recht erfolgreich besucht, lud uns zu einem Gespräch zum Thema Einschulung der Tochter ein. Wir mögen uns doch bitte an einem ansonsten eher normalen Donnerstag, irgendwann zwischen morgens um acht und nachmittags um drei, im Büro des Rektors einfinden, hierzulande Kontor genannt, was meiner Ansicht nach eines der schöneren alten Worte ist, die unsere Muttersprache irgendwo auf dem Weg in die Moderne bedauerlicherweise verloren hat.
Aber in dieser kleine Geschichte soll es gar nicht um unsere wachsende Tochter gehen, die an diesem regnerischen Donnerstag ihr Einführungsgespräch mit dem Rektor ihrer künftigen Lehranstalt hatte.
Natürlich war sie stolz bis ins letzte Eck (wir natürlich auch!), schaute sich neugierig um und schwieg beharrlich, als der Rektor versuchte, sie auszufragen. Sie war aber in wenigstens einer Hinsicht nur Nebendarstellerin eines Geschehens, das sich ganz genau so zugetragen hatte, wie ich es nun berichten will.
Es war also Donnerstagmorgen, kurz vor acht. Draußen war der Himmel grau, die Luft noch feucht vom letzten Regen, und die Temperaturen noch weit unterhalb der eigenen Komfortzone. Im Schulgebäude, vor dem Kontor (ich liebe dieses Wort!) hatte sich bereits eine Mutter mit ihrem aufgeregtem Kind versammelt. Lächeln, „Guten Morgen“ sagen, warten. Und während wir darauf warteten, ins Vorzimmer des Rektors gerufen zu werden, versammelten sich immer mehr Mütter, Väter und Großeltern und natürlich die dazugehörigen künftigen im Flur der Schule. Ich ließ meinen Blick über die Menge gleiten und erkannte dieselbe Nervosität, wie ich sie selbst nur etwa zwei Jahre zuvor verspürt hatte, als wir unseren Sohn in ebendieser Schule anmeldeten. In den Gesichtern der Mütter und Väter zeigte sich nicht nur die Nervosität, sondern auch das schlechte Gewissen, das sich offenbar immer dann einstellt, wenn man selbst auch nicht der vorbildlichste Schüler war. Ich grinste leise in mich hinein, beugte mich zu meiner Frau hinüber und flüsterte vernehmlich: „Hoffentlich ist die Prüfung nicht so schwer! Ich habe gar nicht gelernt!“ Meine liebe Frau schaute mich an und meinte nur: „Ach, das schaffen wir schon.“ Dutzendweise drehten sich Köpfe zu uns, öffneten sich Ohren weit und Augen gar noch weiter. Das Wort „Prüfung“ sprang munter von Gewissen zu Gewissen und löste wahre Sturzfluten von Schweiß auf den Stirnen der Väter und Mütter aus.
„Prüfung? Was wird denn da geprüft?“
„Oh Gott, ich hab doch gar nichts gelernt!“
„Hat du gehört? Eine Prüfung! Ich hab's dir doch gesagt!“
Genau zu diesem Zeitpunkt öffnete sich die Tür, und die Sekretärin erschien, um uns in das Büro zu bitten. Meine liebe Frau und ich widmeten uns unter der liebevollen und wortreichen Hilfestellung der Sekretärin dem unvermeidlichen Bürokratismus, während unsere baldige Musterschülerin mit einer Mischung aus Scheu, Neugierde und Stolz das gesamte Vorzimmer gewissenhaft untersuchte. Geburtsurkunden wurden untersucht, und für gut befunden, Rechtschreibfehler in Namen und Adressen korrigiert (in rot natürlich), ein paar nette Worte gewechselt – das ganz normale Verwaltungsgeschäft eben. Als alles zur Zufriedenheit der Vorzimmerdame geprüft, korrigiert, nochmals geprüft, unterschrieben und gegengeprüft war, wurden wir wieder vor die Tür gebeten, weil der Rektor noch im Gespräch war.
Als wir wieder vor die Tür in den Flur traten, blickte ich in erwartungsvolle, große, ängstliche Augen: „Und?“ schwebte die unausgesprochene Frage in Blockbuchstaben im Raum, oder besser, im Flur. Ich ließ die Schultern theatralisch hängen und wanderte nervös vor der Tür hin und her. „Mündliche...“ murmelte ich und wanderte weiter, den Blick unstet zwischen den Anwesenden hin und her schweifend, die Hände ringend. Mein Frau klopfte mir auf die Schulter, nahm meine Hände und sprach: „Ach, komm. Wird schon nicht so schlimm werden. Das schaffen wir schon!“ Und unsere Tochter erzählte jedem, der es wissen wollte (oder auch nicht): „Ich gehe jetzt bald in die Schule! Im Sommer, wenn es warm ist!“
„Ja, Schatz!“ sagte ich, „wenn Mama und Papa die Prüfung schaffen.“ Aber davon wollte Töchterchen natürlich gar nichts hören. Verständlich, denke ich.
„Die machen da ernsthaft eine Prüfung?“
„Mündliche? Was meint der Typ mit mündliche?“
„Ich hab dir doch gesagt, es gibt eine Prüfung! Aber du wolltest mir ja wieder nicht glauben!“
Gerade als erster Zweifel aufkam und sich einer der nervöseren Väter mit fragendem Blick an mich wenden wollte, öffnete sich die Tür zum Kontor erneut. Dieses Mal stand aber der Rektor höchstpersönlich in der Tür, mit einem eher neutralen Gesichtsausdruck. „Wenn Sie bitte hereinkommen wollen...“
Tochter stürzte voran, meine liebe Frau hinterher, und ich ließ noch einmal einen verzweifelten Blick auf die Menge los: „Himmel, hilf!“, als ich mit hängenden Schultern hinterher schlurfte.
Das Gespräch mit dem Rektor war entspannt, freundlich und, alles in allem, erfolgreich. Unsere Tochter war erstaunlicherweise von plötzlicher und völlig unerwarteter Stummheit geplagt, aber das schrieben wir unisono der neuen Umgebung, der allgemeinen Nervosität und ein bisschen auch dem schlechten Wetter zu. Dann war das Gespräch auch schon beendet, und wir erhoben uns, bedankten einander für die netten Worte und verließen das Büro. Ich trat als erstes mit strahlendem Gesichtsausdruck vor die Tür, schleppte meine kleine Familie hinterdrein, wandte mich der nächstbesten Mutter zu und raunte deutlich hörbar: „Aufgabe drei! Die Antwort ist BEH!“
Die Frau schaute mir einigermaßen verblüfft nach, während ich mit Frau und Kind im Schlepptau eilends und über alle Backen grinsend dem Ausgang zustrebte. Als sich die Tür langsam schloss und wir auf dem Schulhof waren, drang das befreite Lachen der wartenden Menge an unsere Ohren. Und wir lachten mit.
Humor ist ein hartes Geschäft. Nichts ist schwieriger, als Menschen zum Lachen zu bekommen. Man muss auf das richtige Timing achten, so unglaublich viele Befindlichkeiten beachten, darf nicht übertreiben und sollte immer ausgesprochen gut vorbereitet sein. Fragt Charlie Chaplin, Loriot oder Robin Williams.
Aber manchmal ist der beste Humor eben doch der, der aus dem Bauch heraus kommt!
* Siehe hier: Alte Zeiten
Moin-Moin!
AntwortenLöschenAlso ganz so schwer kann Humor auch nicht sein - zumindest gehe ich hier immer wieder mit einem Grinsen im Gesicht weg. ^^
Das war aber auch fieß von Dir, die armen Leute so in Angst und Schrecken versetzen .....
Aber Kopfkino ist was schönes :D
Ich wünsche Dir und deinem Hofstaat noch schöne und ruhige Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr.
Freue mich auf ein neues Jahr voller humorvolle Beiträge von Dir.
Ganz liebe Grüße aus WHV,
Su
Moin, moin!
AntwortenLöschenVielen Dank für Deine Worte!
Ich hoffe, auch Du und Deine Familie hatten schöne Weihnachtstage. Und unser ganzes Chaosteam wünscht Dir und Deiner Familie ein Frohes Neues Jahr!
Prost Neujahr!
AntwortenLöschenDanke für die Wünsche und ja, wir haben überlebt ^_^
Sohnemann hatte Pipi inne Augen, als er Heiligabend sein Geschenk ausgepackt hatte (vor Freude), dann der übliche Familystress. Dafür aber eine total entspannte Sylvesterparty mit Schwiegermam, einschließliches Resteverputzen am Ersten. :D
hoffe ihr habt auch alles überlebt und seid gut reingekommen.
Wünsche Dir und deinem Chaotenteam alles Gute für 2016 und freue mich schon auf neue Beiträge hier :)
Liebe Grüße,
Su