Der
Sommer ist doch was schönes... Die Sonne scheint, die Kleider sind
luftig, man kann sich genüsslich im Freien herumtreiben und man kann
eine Menge Strom sparen!
Das gute und warme Wetter der letzten
Tage hat mein lieb Frauchen und mich davon überzeugt, dass es sich
vielleicht doch lohnend würde, eine neue Wäschespinne anzuschaffen.
Bislang trocknen wir unsere Wäsche auf Wäscheleinen in den
abyssalen Tiefen unseres Kellers oder eben im elektrischen
Heißluftstrom unseres Trockners.
Angesichts der zu erwartenden
Reichtümer infolge des künftigen, erheblichen Minderverbrauches an
Strom und in Anerkennung und Würdigung der Qualität von
einheimischen Produkten entschlossen wir uns zum Kauf eines gar nicht
mal so billigen Markengerätes, das nicht nur unsere Kleidung
zuverlässig auf der Leine halten würde, sondern auch dem Betrachter
anzeigen würde: Hier sind Menschen, die Verantwortung für ihre
Wäsche übernehmen!
Als Mann und Herr im Hause in
Teilarbeitszeit war es natürlich an mir, die mühselig erworbene
Wäschespinne in den Garten zu verfrachten und sie in die Senkrechte
zu stellen.
Angesichts des klugerweise zeitgleich erworbenen,
passenden Erdpfahls sollte das Unternehmen „Aufstellen“ kein
Schwierigkeit darstellen. Der Erdpfahl wurde aus seiner umfangreichen
Plastikumhüllung geschnitten und gerupft, ein Fleckchen Erde wurde
zur Pfählung freigegeben, und schon ging es los.
Der Erdpfahl
stellte sich als Schraube dar, die mit Hilfe einer stählernen Stange
in die Erde geschraubt werden sollte, und das möglichst gerade.
Insbesondere letzteres war mal gar nicht so einfach, wie man glauben
sollte. Kaum waren einige Umdrehungen in Richtung Erdmitte getan,
stellte sich dieses vermaledeite Ding schräg. Also noch einmal neu
ansetzen, das Augenmaß senkrecht gestellt und nochmal drehen. Das
ging so lange gut, bis offenbar ein Stein der sorgfältig senkrechten
Bewegung einen Tritt aus der Waage gab. Erdpfahl ausdrehen, Erde
abklopfen, Loch bewundern, zehn Zentimeter ostwärts der dritte
Versuch. Und siehe! Es klappte! Der Erdpfahl konnte bis in die
vorgesehene Tiefe eingedreht werden und sah dabei erstaunlich gerade
aus!
Endlich konnte ich die Wäschespinne in den Erdpfahl setzen,
ein bisschen zurecht rücken und mit Stolz das Ergebnis betrachten.
Na gut, die Wäschespinne steht nicht vollkommen gerade da, aber wenn
man an der einen Seite ein bisschen mehr Wäsche aufhängt, als auf
der anderen, dann zieht sich das schon zurecht! Denke ich...
Natürlich musste die Funktionalität des neu erworbenen
Stromspargerätes ausführlich getestet werden: Spinne auf, Spinne
zu, Spinne auf, Spinne zu... Bis mein lieb Frauchen mit dem ersten
Korb Wäsche kam und wir einträchtig und lachend Stück für Stück
unserer Leib- und Magenwäsche auf den neuen Leinen aufhängten.
Was
für ein erhebender Anblick! Frisch gewaschene Wäsche weht da frei
in Wind und Sonne und wird quasi für lau getrocknet. Aus dem Keller
hörten wir leise das Schluchzen unseres Trockners. Nun, wir können
ihn trösten: Der nächste Herbst kommt bestimmt!
Eine Weile
standen wir andächtig vor der Wäschespinne und sahen dem Sommer bei
der Arbeit zu, bevor wir uns den weiteren täglichen Aufgaben
widmeten. Wer hätte geahnt, dass eine Wäschespinne schmerzhafte
Gefahren für uns, nein, für mich bereithielt?
Der Tag verging,
die Wäsche trocknete vor sich hin, und als die Sonne dem westlichen
Horizont entgegen strebte, beschlossen lieb Frauchen und ich,
gemeinsam die Wäsche von der Spinne zu nehmen. Ja, auch das ein
Geheimnis erfolgreicher Partnerschaft: Gemeinsame Erlebnisse
schaffen!
Frohgemut schnappte ich mir ein Handtuch von der Größe
Schleswig-Holsteins, packte es knapp unterhalb der Wäscheklammer und
schrie sofort schmerzgepeinigt auf! Hat mich doch ein ignorantes
Insekt ohne Vorwarnung in den Zeigefinger gestochen! Ich weiß nicht,
welches Insekt da so brutal war, denn Tränen des Schmerzes und der
Überraschung trübten meinen Augenlicht augenblicklich, ich hielt
den Finger fest und schnürte ihn dicht unter der Verletzung am
ersten Glied ab. Sofort begann ich mit Erste Hilfe Maßnahmen und
saugte das schreckliche Gift aus dem Finger, während ich zeternd um
die Wäschespinne tanzte. Mit dem Schrei „Zwiebeln!“ weckte mich
meine Frau aus der Agonie und scheuchte mich in die Küche. Unter
unsäglichen Schmerzen klaubte ich eine Zwiebel aus dem Korb, teilte
sie und drückte mir die feuchte Hälfte der Frucht auf den
gemarterten Finger. Oh, welche Wohltat! Der Schmerz ließ
augenblicklich nach. Ich trocknete meine Tränen, schnüffelte am
zwiebligen Finger und bekam augenblicklich erneut einen feuchten
Blick. Die Zwiebel meinte es ernst!
Natürlich blieb ich tapfer!
Das bin ich meiner Mitgliedschaft in der Spezies Mensch (männlich)
schuldig. Mit von Zwiebeldämpfen umwölkten Blick und immer noch ein
wenig geschockt vom Angriff des Killerinsekts taumelte ich zurück in
den Garten und stellte mich erneut auf dem Schlachtfeld dem nächsten
Insekt, das es wagen würde, den Stachel gegen mich zu erheben!
Dieses Mal war ich vorbereitet! Aber das war gar nicht mehr nötig.
Mein lieb Frauchen hatte bereits, ungeachtet tödlicher Gefahren der
Insektenwelt, die Wäsche säuberlich abgenommen, die Wäschespinne
in ein kompaktes Paket verwandelt und selbige unter das Dach
gestellt, auf dass die Leinen sauber blieben. Ich versuchte noch, ihr
den Wäschekorb abzunehmen, um wenigstens einen kleinen Teil zu
unserem gemeinsamen Erlebnis beizutragen, aber das wollte sie nicht.
Immerhin war ich ja verletzt! Womit sie ja auch nicht ganz unrecht
hatte...
Mittlerweile
ist nach einem Abend des Schocks und des Schmerzes und einer
irgendwie unruhigen Nacht nur noch ein roter Punkt an der
Einstichstelle und eine merkwürdige bläuliche Färbung meiner
Fingerkuppe von meiner Auseinandersetzung mit dem unbekannten Insekt
übrig geblieben. Aber ich denke, unter der wohltuenden und
hingebungsvollen eheweiblichen Pflege werden auch diese Spuren der
Schlacht bald vergangen sein.
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