Wisst ihr, was ich
am Sommer so mag?
Den Strand! Es ist einfach herrlich, an einem
warmen, sonnigen Tag am Meer entlang zu spazieren, sich herrliche
Landschaften anzuschauen und einfach Wärme, Wetter und Aussicht zu
genießen.
Unsere Schatzkammer! |
Tatsächlich gehöre
ich eher nicht zur Fraktion der Strandlieger, sonder eigentlich zu
den Strandläufern. Oder doch wenigstens zu den Strandspaziergängern.
Das deckt sich sinnigerweise mit den Vorlieben meiner Frau, die den
Strand nicht der Ausicht wegen besucht, sondern um ihm seine
mannigfaltigen Schätze zu entreißen.
Mit der Tüte in der
Hand un dem Blick am Boden wandet mein Frauchen bei jedem
Strandaufenthalt langsam aber stetig am Ufer entlang und entdeckt
regelmäßig unzählige Granite, Pegmatite, Ukanit, Urkalk
(gewöhnlich auch Marmor genannt), Quarze und Quarzite, und was es da
sonst noch so alles gibt. Nebenbei finden aber auch seltene Fossilien
oder hübsche Muscheln den Weg in ihre schier bodenlose Tüte. Jeder
Fund wird ausgiebig bewundert, der Welt im Allgemeinen und mir im
Besonderen detailreich beschrieben, sowie sein weiterer Werdegang als
künftiges Schmuckstück zumindest grob skizziert.
Da gibt es
hübsch anzuschauende Felsformationen im Miniaturformat, erstaunliche
Zeugnisse der Erdentwicklung, Beweise vulkanischer Aktivitäten in
vorglazialer Zeit, sowie (unter anderem) eine stattliche Anzahl an
Indizien, dass diese Welt bereits lange vor Ankunft des Homo sapiens
reichlich besiedelt war. Zu Stein erstarrte Schnecken, Wirbeltierchen
und anderes Gewürm starrt uns aus silikater Umhüllung und großer
temporaler Entfernung an. All das so sehens- und bemerkenswert, dass
andere kluge Geister bereits mehrere Regalmeter Bücher darüber
geschrieben haben, komplett mit Karten und Bildern der Fundstücke.
Immer, wenn meine
begeisterte Strandgut-Sammlerin ein besonders schönes Exemplar
ozeanischer Hinerlassenschaft findet, freut sie sich wie Bolle und
ruft alle Welt herbei, auf dass sie ihre Freude teile. Und weil es
bei uns am Strand der Ostsee reiche Beute gibt, freut sie sich oft.
Vor ein paar Tagen konnte ich bei meiner Frau sogar einen
besonders heftigen Ausbruch an Freude entdecken. Und das kam so:
Eigentlich hatte der
Tag gar nicht so toll angefangen, jedenfalls in meteorologischer
Hinsicht. Die Wolken hingen grau, fett und träge über der Stadt,
die Temperaturen hatten sich in wärmere Gefilde verabschiedet und
außerdem gab es da ja noch ein wenig Hausarbeit, die getan werden
sollte. Irgendwann waren wir aber mit der Hausarbeit fertig und alle
Pflichten erfüllt, und wir machten ein wenig Mittagspause, komplett
mit Sofa und Schlummer. Mit einem wohligen Schmatzen und Schnurren
erwachte ich aus meinem Suppenkoma, warf einen Blick aus dem Fenster
und verkündete umgehend meinen Beschluss: „Familie! Man kleide
sich an! Die Sonne ruft und der Strand lacht!“
Frau und Kinder
warfen sich mit Begeisterung in Schuhe und Jacken, rannten zum Auto
und zogen sich die Jacken sofort wieder aus. Denn mit der Sonne waren
auch die Gräder wiedergekommen, und es war angenehm warm. Schnell
noch die Schaufeln für die Kinder in den Kofferraum geworfen, und
schon waren wir auf dem Weg ans Meer, das ja von unserer heimischen
Höhle gar nicht so weit entfernt vor sich hin plätschert.
Am Strand warfen
sich Jung Bauunternehmer und zukünftige Ingenieurin sofort an die
Schaufeln und begannen mit dem Bau eines neuen und viel besseren
Nordostseekanals, während meine Frau den Kopf senkte und
systematisch Quadratzentimeter für Quadratzentimeter den Wellensaum
absuchte. Und richtig: Nach nur wenigen Minuten erreichte mich der
erste Ruf: „Guck mal, wie hübsch!“ Der erste kleine Schatz war
gehoben: Ein Stein! Wer hätte das gedacht?
In diesem Stil ging
es weiter. Meine Kinder gruben Kanal um Kanal, meine Frau stülpte
den Strand um, und die Tüte wurde langsam, aber sicher voll. Ich
indessen bewunderte zum wiederholten Male die ruhige Ostsee, das weit
entfernte Ufer Dänemarks, die weißen Segel, die warme Luft und den
ganzen Rest. Das Leben war schön. Und weil der Vormittag ja nicht
gerade mit sommerlichen Prachtwetter aufgewartet hatte, war der
nachmittägliche Strand auch nicht sonderlich belegt. Es herrschte
eine wundervolle Ruhe, nur unterbrochen vom „Guck mal hier!“
meiner Frau und den enthusiastisch kommentierten industriellen
Fortschritten meiner Kinder. Ich genoss.
Plötzlich aber
unterschied sich die Frohe Kunde meiner Frau deutlich von den
bisherigen Jauchzern: „Ich werde verrückt!“ Mit breitem Grinsen
und gar anmutigen Schritten tänzelte lieb Frauchen auf mich zu und
rief immerzu: „Das gibt’s ja gar nicht! Guck mal, was ich
gefunden hab!“ In ihrer zarten Hand erstrahlte ein schönes Stück
urzeitlichen Harzes, landläufig als Bernstein bekannt, das Gold der
Ostsee! Tatsächlich ist Bernstein in unserer Gegend nur sehr selten
zu finden, was den Grund eheweiblicher Freude erklärt.
Das Gold der Ostsee in zarter Hand... |
Mit kindlicher
Begeisterung erzählte mir meine Holde, wo genau und unter exakt
welchen Umständen sie nun jenen erstaunlichen Schatz gefunden und
geborgen hatte. Ihr erstes, ganz eigenes und selbst gefundenes
Stückchen Bernstein! Und zudem war dieses besondere Steinchen auch
noch geschmückt mit einem urzeitlichen Blättchen! Das jener erste,
geradezu legendäre Fund bereits gelocht war und dann auch noch ein
uraltes Stückchen Lederband im Loch steckte, tat ihrer grenzenlosen
Freude keine Abbruch. Selbst die Kinder waren fasziniert vom goldenen
Glanz und der Wärme dieses edlen Steins und freuten sich mit ihrer
Mama, bevor sie sich an das nächste strändische Bauobjekt wagten.
Einige Augenblicke
genossen meine Frau und ich noch den Nachhall ihres Glücksfundes,
dann ging es weiter am Strand entlang, auf der Suche nach dem
nächsten maritimen Schatz. Und manchmal schlägt das Glück des
Sammlers mit aller Wucht zu. Denn nur einige Dutzend Meter vom ersten
Schatz entfernt brach meine Frau zum zweiten Mal in einen geradezu
unglaublichen Freudentaumel aus! Ein weiteres, schönes Stück
Bernstein glänzte in ihrer Hand, und ihr Glück war vollkommen! Denn
dieser Stein hatte weder Loch noch Lederband, sondern war vollkommen
natürlich und vermutlich unberührt. Andächtig standen wir um den
Stein herum, betrachteten ihn, und meine Frau erklärte mir eifrig,
was für schöne Dinge aus diesem Bernstein werden könnten, sobald
wir zu hause wären. Aber der Tag war noch nicht alt genug und das
Wetter noch nicht schlecht genug, um schon den Heimweg anzutreten. So
setzten wir unsere gemütliche Wanderung fort, die uns in einem
weiten Bogen zurück zu unserem Auto führte. All die schönen,
besonderen Steine, die nun noch gefunden wurden, verblassten hinter
dem Glück, an einem einzigen Tag gleich zwei wunderschöne
Bernsteine gefunden zu haben. Und wer nach uns an den Strand kam,
hätte unsere Spur verfolgen können, denn hinter uns lagen unzählige
Kanäle, Sandburgen und Häfen, die Klein Baumeister und Maid
Schaufel auf ihrem Weg geschaffen hatten.
Jene Schätze, die
wir gefunden haben, sind inzwischen dem Gefängnis der Tüte
entronnen und wurden gründlich gesäubert und getrocknet. Jetzt
warten sie darauf, dass aus einem schnöden Stück Erdgeschichte ein
zartes, glänzendes, elegantes und schön anzuschauendes Schmuckstück
wird.
Wer sich mal
anschauen möchte, was aus Steinen werden kann, dem empfehle ich
einen Klick auf den folgenden Link:
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