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Hausmanns Abenteuer!

Wer im Schichtdienst tätig ist, kennt das: Man arbeitet zu Zeiten, an denen der Rest der Welt friedlich schläft oder sich seinen vielfältigen Hobbys hingibt, und hat jede Menge Freizeit, wenn der Rest der Welt hart arbeitet. Mir geht es da nicht anders.

Mir hat dieser Lebenswandel nun einen Morgen beschert, an dem ich mal ganz für mich allein war. Die Kinder waren in die Obhut staatlicher Lehr- und Erziehungsanstalten übergeben, meine Frau erforschte auf eigene Faust das Gesundheitssystem in Deutschland, und ich… Nun, ich tat, was ein treusorgender Ehemann und Vater eben tut, wenn er allein zuhause ist. Ich kümmerte mich um den Haushalt. Was en détail bedeutete, dass ich die Küche sauber machen und den Müll raus bringen wollte. Freiwillig! Weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht hatte!
Eigentlich hätte das ganze Vorhaben nur wenig Zeit in Anspruch nehmen sollen, war doch unsere Küche generell schon in einem annehmbaren Zustand, mal abgesehen vielleicht von den Überresten des familiären Frühstücks. Und den vollen Mülleimern. Die Kaffeemaschine hätte auch mal gereinigt werden können. Und die Spülmaschine war voll. Vielleicht auch noch den Backofen schrubben. Und der Kühlschrank? Na, den wollte ich lieber nicht aufmachen!
Es war also gar nicht viel zu tun. Ein wenig Wasser und Spüli, ein feuchter Lappen und ein wenig gute Musik, und schon eine Stunde später war ich so gut wie fertig. Gut, bis auf die Kaffeemaschine. Und die Spülmaschine. Und den Backofen. Und den Kühlschrank. Fegen und Wischen hätte ich wohl auch noch können, aber sonst brauchte ich eigentlich nur noch den Müll, den zu Düngezwecken gesammelten Kaffeesatz und den Biomüll vor die Tür zu bringen. Im Geiste sah ich mich schon vor dem Computer sitzen und begeistert durch die irrsinnigen Weiten des Internets streifen.
Ich schob mir flux die ollen Gartentreter über die Füße und zog behände die Mülltüten aus dem Eimer. Und genau diesen Moment suchte sich die Physik aus, um mich dezent darauf hinzuweisen, dass Plastik nicht unendlich dehnbar ist. Tüte Nummer eins riss und der gesammelte Wertstoff verteilte sich mehr oder weniger gleichmäßig auf den Fliesen der Küche. Ich fluchte hingebungsvoll, sammelte den Müll wieder ein, stopfte ihn in eine neue Tüte und beseitigte die Spuren. Immerhin, der Boden war nun auch gewischt.
Beide Hände voll mit Recycling-Ware, Bio-Wertstoffen und improvisierten Düngemitteln taumelte ich schwer bepackt vor die Haustür in Richtung heimisches Mülltrennungssystem im Car-Port. Eine kleine Winzigkeit hatte ich dabei nicht bedacht:
Da ich ja nun gerne meinem lieb Frauchen eine Freude machen wollte, hatte ich mir nicht nur die Küche vorgenommen, sondern auch sämtliche Fenster geöffnet, auf dass im heimischen Schlosse ein frischer Wind wehe. Das tat er auch, und zwar mit soviel Elan, dass die Haustür gleich mal mit einem satten „WAMM!“ ins Schloss fiel, gerade, als ich vor den Mülleimern stand. Das wäre an sich nur eine kurzzeitige Lärmbelästigung und nicht weiter schlimm gewesen, trotzdem wich mir im Augenblicke des „WAMM!“ sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Ich hatte völlig vergessen, meine Haustürschlüssel mitzunehmen!
Da stand ich nun, ratlos und ein bisschen sauer. Die Außentemperatur lag bei winterlichen minus Vielzukalt, der Wind war recht aufdringlich, und ich hatte weder eine Jacke noch vernünftiges Schuhwerk am Leibe. Wider sämtliche Erfahrung versuchte ich, die Haustür zu öffnen. Ja, ich klingelte gar! Die einzige Reaktion war das Maunzen unserer Katze, die auf diese Weise darauf hinwies, dass sie mir gerne die Tür öffnen würde, sie aber im Moment nicht an die Klinke käme und eigentlich auch sowieso keine Lust hätte, weil sie jetzt erst mal essen müsse. Es ist erstaunlich, was eine Katze in ein einziges Maunz legen kann. Jedenfalls blieb mir die Tür verschlossen. Stures Ding!
Ich wanderte um das Haus herum und entdeckte meine Rettung: Wenn ich auf den Balkon klettern könnte, was keine Schwierigkeit darstellen sollte, und dann mit einem Stock durch das gekippte Wohnzimmerfenster die Balkontür entriegeln könnte, wäre ich bald wieder im warmen Heim. Teil eins des Planes war also ein langer Stock. Die Dinger, die einem im Sommer immer zuhauf vor den Füßen herum fallen und ständig im Weg liegen, sind erstaunlicherweise im Winter, wenn man sie braucht, äußerst rare Ware mit Seltenheitswert. Nach einer langen Suche blieb mir doch tatsächlich nichts anderes übrig, als einen ansonsten völlig unschuldig in der Ecke vergessenen Besen seines Stieles zu berauben, nicht ohne ihm zu versprechen, selbigen (nämlich den Stiel) später wieder zurückzubringen.
Mit festem Schuhwerk wäre es mir vermutlich gelungen, den Balkon zu erreichen, ohne fünfmal abzurutschen und mir die Hosen an einer ausgesprochen unangenehmen Stelle aufzureißen. Immerhin stand ich nach einigen recht ereignisreichen Minuten einigermaßen sicher auf dem Balkon.
Auf einem der Balkonstühle schwankend versuchte ich nun, den Besenstiel derart durch das gekippte Fenster zu führen, dass er die Türklinke der Balkontür erreichte. Ein bisschen kam ich mir dabei vor wie ein Mikrochirurg, der versucht, eine endoskopische Untersuchung an einem Csárdás tanzenden Patienten vorzunehmen. Erschwerend kam hinzu, dass die Türklinke der Balkontür nicht etwa einbrecherfreundlich rechteckig war, sondern ein eher rundes Design hatte. Der Kopf des Besenstiels hatte also keine wirkliche Auflagefläche, die es mir leichter gemacht hätte, die Klinke in die richtige Richtung zu drücken. Drinnen saß unsere Katze und maunzte, womit sie darauf hinwies, dass sie mir gerne helfen würde, die Tür zu öffnen, es aber viel interessanter sei, mir bei meinen Bemühungen zuzuschauen. Ich lächelte gequält.
Minutenlang versuchte ich mein Bestes, mit Besenstiel, einer gehörigen Portion Gelenkigkeit und wenig Eleganz, die Tür zum Öffnen zu bewegen. Glücklicherweise ist unser Balkon auf der der Straße abgewandten Seite angebracht. Und alle möglichen Nachbarn und Zeugen befanden sich um diese vormittägliche Uhrzeit an ihren jeweiligen Arbeitsstätten, ohne Blick auf meine ersten, kläglichen Gehversuche im Einbruchsgeschäft. Wenigstens blieb mir auf diese Weise ein peinlicher polizeilicher Eingriff erspart. Ich stocherte mit wachsender Ungeduld mit dem Besenstiel durch das Fenster, dekorierte nebenbei das innen liegende Fensterbrett neu und schrie abwechselnd Tür, Besenstiel, Hauswand und Himmel an, warum das denn, zum Teufel nochmal, nicht funktionieren wollte. Außerdem wurde mir allmählich kalt.
Drinnen saß Katze und wies mit einem Maunzen darauf hin, dass meine Einbruchsversuche zwar recht vergnüglich seien, sie andererseits aber auch lange nicht mehr gegessen hätte. Es wäre damit wohl an der Zeit, mit dem Unsinn aufzuhören und ihr eine ordentliche Mahlzeit zu kredenzen. Ich ignorierte sie.
Plötzlich klickte irgendwas verdächtig, während ich halbseitig an die Außenwand gedrängt stand, ein Arm Halt suchend in den Putz verkrallt, den anderen Arm in einem eher unmöglich erscheinenden Winkel durch den Spalt des Fensters geschoben, mit den Fingerspitzen den Besenstiel balancierend. Sollte das Glück gerade kurz auf mich herab gelächelt haben? Es hatte; und mit einem hingebungsvollen „Sesam, öffne dich!“ und einem letzten, beherzten Stoß gelang es mir, die Türklinke umzulegen und somit den Eingang in unser warmes Reich zu öffnen. Welch ein Glücksgefühl strömte durch meinen Leib!
Mit stolzgeschwellter Brust durchschritt ich die Pforte und wurde drinnen von unserer Katze begrüßt, die mir mit einem Maunz zu verstehen gab, dass es nun wohl auch langsam Zeit wurde, immerhin lungerte ich ja wohl nun schon lange genug nutzlos draußen herum, während sie selbst kläglich verhungerte. Ich fauchte, Katze floh beleidigt. Ha!
Angesichts des gerade erlittenen Martyriums beschloss ich spontan, Kühlschrank, Backofen und ähnliche Kleinigkeiten heute einfach mal zu ignorieren, brühte mir einen doppelten Espresso zur Belohnung und Erwärmung meines Körperinneren und warf mich auf das Sofa, um mich von den körperlichen wie seelischen Anstrengungen der letzten halben Stunde zu erholen. Ich sollte eigentlich noch den Besenstiel wieder an den Besen schrauben. Und diverse Behältnisse sollten auch noch von den Mülleimern geholt werden. Aber das kann Frauchen tun. Sie hat ja heute noch gar nichts geschafft!

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